Angeklagte nicht vor Ort

Acht Jahre nach Abschuss von Flug MH17: Urteil wird in Amsterdam verkündet

Eine Gedenkfeier für die Opfer des Abschusses im Sommer in den Niederlanden.
© IMAGO/Evert Elzinga

Vor acht Jahren wurde das Passagierflugzeug MH17 über der Ukraine abgeschossen. Russland bzw. die prorussischen Separatisten in der Ostukraine stritten die Verantwortung dafür lange ab. Nun wird ein Urteil über vier mutmaßlich Verantwortliche gefällt.

Von Danny Kemp/AFP

Amsterdam, Kiew – Mehr als acht Jahre nach dem Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 über der Ostukraine wollen niederländische Richter am Donnerstag ihr Urteil verkünden. Die Staatsanwaltschaft hatte im vergangenen Dezember gefordert, die vier Angeklagten in Abwesenheit zu lebenslanger Haft zu verurteilen.

Die drei Russen Igor Girkin, Sergej Dubinski und Oleg Pulatow und der Ukrainer Leonid Chartschenko sind nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft für den Abschuss des Passagierflugzeugs mit 298 Toten am 17. Juli 2014 verantwortlich. Sie sollen maßgeblich daran beteiligt gewesen sein, die Boden-Luft-Rakete vom Typ BUK, mit der das Flugzeug nach Erkenntnissen eines internationalen Ermittlerteams abgeschossen wurde, in die Ostukraine zu bringen.

Das Verfahren findet seit März 2020 unter hohen Sicherheitsvorkehrungen in der Nähe des Amsterdamer Flughafens Schiphol statt, von wo aus die Maschine der Fluggesellschaft Malaysia Airlines damals in Richtung Kuala Lumpur gestartet war. Aus den Niederlanden kamen auch die meisten Todesopfer.

Angeklagte erschienen nicht vor Gericht

Die vier Angeklagten halten sich nicht in den Niederlanden auf und haben sich geweigert, dort vor Gericht zu erschienen. Nur Pulatow ließ sich von Anwälten vor Gericht vertreten.

Der Abschuss von Flug MH17 hatte weltweit Empörung ausgelöst. Aufnahmen zeigten mit Leichen und Wrackteilen übersäte Sonnenblumenfelder - einige der Opfer, darunter auch Kinder, waren noch in ihren Sitzen angeschnallt.

Zur Urteilsverkündung am Donnerstag werden Angehörige der Opfer aus aller Welt erwartet. Viele von ihnen haben den tragischen Tod ihrer Lieben bis heute nicht verwunden.

Opfervertreter hoffen auf Inhaftierung bei Schuldspruch

Evert von Zijtveld, der bei dem Abschuss seine 19-jährige Tochter Frederique, seinen 18-jährigen Sohn Robert-Jan und seine Schwiegereltern verloren hatte, will die vier Angeklagten nicht nur verurteilt sehen, sondern auch hinter Gittern: "Wenn sie schuldig sind, sollte die internationale Gemeinschaft sie so lange jagen, bis sie geschnappt sind", sagte der 67-Jährige der Nachrichtenagentur AFP. "Ich kann ihnen nicht verzeihen".

Auch Sander Essers, der seine Schwägerin Jolette Nuesink, seine 20-jährige Nichte Emma und seinen 17-jährigen Neffen Valentijn verlor, wünscht sich "Gerechtigkeit". Er hoffe, "dass die juristischen Beweise für ein Urteil ausreichen", sagte der 72-Jährige.

Laut Staatsanwaltschaft gehören die Angeklagten den pro-russischen Separatisten in der Ostukraine an und hätten eine Schlüsselrolle beim Transport des BUK-Raketensystems von einer Militärbasis in Russland in die Ukraine gespielt – auch wenn sie das Flugzeug nicht eigenhändig abgeschossen hätten. Bei dem zweieinhalb Jahre dauernden Prozess stützte sie sich unter anderem auf abgefangene Telefongespräche und Handydaten, Video- und Fotobeweise sowie forensisches Material.

Anwälte beharren auf Theorie zu ukrainischem Jet

Pulatows Anwälte wiesen die Vorwürfe zurück. Sie behaupteten, die Staatsanwaltschaft habe nicht beweisen können, dass das Flugzeug von einer BUK-Rakete abgeschossen worden sei. Demnach könnte hinter dem Abschuss auch ein ukrainischer Jet stehen. Moskau selbst bestreitet jegliche Beteiligung an der Tragödie.

Die ukrainische Armee kämpft seit 2014 gegen pro-russische Milizen in der Ostukraine. Heute gehört das Gebiet, in das die Maschine gestürzt war, zu den wichtigsten Schlachtfeldern des seit Februar dauernden russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.

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