Trump als Verlierer

Demokraten halten US-Senat: Das schreibt die internationale Presse

Ex-US-Präsident Donald Trump verlor durch die Wahlergebnisse massiv an Rückenwind.
© IMAGO/Michael Brochstein

Die Demokraten behalten weiterhin die Kontrolle über mindestens eine Parlamentskammer in den USA. Zeitungen sehen ein "blaues Wunder" für die Republikaner und einen großen Verlierer: Ex-US-Präsident Donald Trump.

Washington – Internationale Tageszeitungen kommentieren die US-Zwischenwahlen, bei denen die Demokraten von Präsident Joe Biden überraschend die Mehrheit im Senat verteidigt haben, am Montag wie folgt:

Neue Zürcher Zeitung:

"Selten ließ eine Wahl die Stimmung derart kippen. Die meisten Umfragen sagten einen Sieg der Republikaner voraus. (...) Die Demokraten mögen die negativen Folgen ihrer maßlosen Ausgabenpolitik schönreden, doch die eigentliche Realitätsverweigerung fand offensichtlich aufseiten der Republikaner statt. Weil sie Angst vor Donald Trump und seiner treuen Wählerbasis hatten, verharmlosten die Parteiführer den Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2021 und verzichteten auf eine Amtsenthebung des Präsidenten. Dies rächt sich nun. Ohne eine klare Verurteilung des Angriffs auf die amerikanische Demokratie und von Trumps Rolle dabei scheinen die Wechselwähler den Republikanern nicht mehr vertrauen zu wollen. (...) Anstatt einer roten Welle erleben die Republikaner ein blaues Wunder. Angesichts der schlechten Umfragewerte von Präsident Biden hätten sie in diesen Zwischenwahlen eigentlich rund 4 Senatssitze und 30 Mandate im Repräsentantenhaus dazugewinnen müssen. Aber sechs Tage nach den Midterms ist selbst eine republikanische Mehrheit in der großen Kammer nicht völlig gewiss."

de Volkskrant (Amsterdam):

"Amtierende Präsidenten werden bei den Midterms kräftig abgestraft. So war es jedenfalls bisher. Joe Biden aber kommt darum herum. Die Demokraten behalten die Mehrheit im Senat. Einfach wird es für Biden wohl trotzdem nicht, aber er ist keineswegs flügellahm. (...)

Dank dieses Erfolgs dürfte es der Präsident in den kommenden zwei Jahren etwas weniger schwer haben als viele seiner Vorgänger. Angesichts einer demokratischen Mehrheit können Republikaner im Senat nicht verhindern, dass Biden Richter für den Obersten Gerichtshof ernennt, wenn dort ein Platz frei wird. Biden kann auch ohne viel Gegenwind neue Mitglieder seines Kabinetts ernennen. Mit ihrer Mehrheit haben die Demokraten zudem mehr Kontrolle über die Verwendung staatlicher Mittel und darüber, welche Gesetzesvorlagen Priorität haben."

La Vanguardia (Madrid):

"Die Republikaner haben (Donald) Trump die Führung der Partei anvertraut und müssen nun die Konsequenzen tragen. Die ehemalige gemäßigte konservative Partei hat sich vom Extremismus, vom Populismus und von den Verschwörungstheorien des Ex-Präsidenten mitreißen lassen. Der Einfluss von Trump erwies sich als katastrophal. Es bleibt abzuwarten, was nun passiert. Die Partei wird von Chaos bedroht. Es wird bereits von einer Abrechnung gesprochen. Die führenden Vertreter der Republikaner in beiden Häusern könnten ihre Posten verlieren. Und es stellt sich auch die Frage, welche Rolle der wiedergewählte Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, ein möglicher Rivale von Trump bei den republikanischen Präsidentschaftsvorwahlen, letztendlich spielen wird (...)

Diese Wahl war ein schöner Sieg für Biden und eine schmerzliche Pleite für die Republikanische Partei. Der große Verlierer ist jedoch ein Trump, der entschlossen scheint, sich von jeder Verantwortung freizusprechen und die Schuld auf andere abzuwälzen und der offenbar unbeirrt seinen Weg zur Rückkehr ins Weiße Haus fortsetzen will."

Pravo (Prag):

"Wir haben gewonnen! Und wenn nicht, dann waren die Wahlen gefälscht. Solche oder ähnliche Äußerungen des harten Kerns der Republikaner nach den US-Kongresswahlen bezeugen, wie sehr die dortige Gesellschaft gespalten ist. Diese fehlende Bereitschaft, den Sieg der Gegenseite anzuerkennen, könnte mit der Zeit aus den USA auch zu uns herüberschwappen. Doch wenn man nur damit beschäftigt ist, den anderen in Schach zu halten, bleibt keine Zeit, diejenigen Probleme zu lösen, welche die Bürger am meisten bewegen. Das einzige Heilmittel gegen den gegenseitigen Vertrauensverlust ist das Führen eines offenen Dialogs - ohne die Gegenseite niederzuwalzen oder abzuurteilen."

Wall Street Journal (New York):

"Die Botschaft könnte nicht deutlicher sein. Die unabhängigen Wähler in den Swing States (in denen sowohl Demokraten als auch Republikaner gute Chance auf den Wahlsieg haben) mögen mit der Richtung des Landes unzufrieden sein, aber sie haben den Republikanern nicht genug vertraut, um ihnen Macht zu geben. Das Thema Abtreibung scheint ein Faktor gewesen zu sein, der in diesem Jahr gegen die Republikaner sprach, und die Partei der Abtreibungsgegner wird ihre Politik und Botschaft für 2024 anpassen müssen.

Auch Trumps handverlesene Kandidaten, die das Narrativ der gestohlenen Wahl von 2020 unterstützten, um seinen Zuspruch zu bekommen, scheinen die Wechselwähler vertrieben zu haben. (...)

Wenn die Republikaner weiterhin Wahlen verlieren wollen, sollten sie weiter Kandidaten aufstellen, die Wechselwähler vergraulen." (APA, dpa)

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