Glyphosat darf in der EU länger genutzt werden als bisher vorgesehen
Die EU-Kommission will die Zulassung des vielfach als krebserregend eingestuften Unkrautvernichtungsmittels befristet verlängern. Eine EFSA-Bewertung soll im Juli 2023 kommen.
Brüssel – Der von der WHO-Krebsforschungsagentur (IARC) als "wahrscheinlich krebserregend" eingestufte Unkrautvernichter Glyphosat darf in der EU ein Jahr länger genutzt werden als bisher vorgesehen. Die EU-Kommission werde entscheiden, die befristete Zulassung bis zum 15. Dezember 2023 zu verlängern, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Formell sei die Entscheidung zwar noch nicht getroffen worden, dies werde aber bis zum 15. Dezember geschehen. Dann läuft die bisherige Zulassung für Glyphosat in der EU aus.
Zuvor war ein weiterer Anlauf der EU-Staaten für eine befristete Verlängerung gescheitert. Die notwendige qualifizierte Mehrheit kam am Dienstag im zuständigen Ausschuss nicht zustande. Hersteller Bayer weist eine krebserregende Wirkung des Pestizids vehement zurück.
Eine Neuzulassung wurde bereits von Chemiekonzernen beantragt, doch muss für diese noch eine Risikobewertung abgeschlossen werden. Sie wird erst für Mitte 2023 erwartet, denn während die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) ihre Bewertung zum Pflanzenschutzmittel im Mai abgeben hatte und dabei die bestehende Einstufung von unverändert ließ, kam von der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) noch keine Einstufung, sie wurde auf den Juli 2023 verschoben, aufgrund einer "beispiellosen Anzahl von Kommentaren".
ECHA: Giftig für Wasserlebewesen, aber nicht krebserregend
Die ECHA kam indes bereits zu dem Schluss, dass das Herbizid giftig für Wasserlebewesen aber nicht krebserzeugend sei. Johannes Fankhauser, Sektionschef im Landwirtschaftsministerium, kündigte am Montag vor der Abstimmung in einem von der AGES veranstalteten Mediengespräch an, dass man sich im ständigen Ausschuss der Expertenmeinung anschließen und dem Vorschlag der EU-Kommission wieder zustimmen werde, bis die EFSA-Bewertung vorliege. Diesen Prozess habe man auch gemeinsam beauftragt und dieser Bewertung möchte man nicht vorgreifen, sondern wissenschaftlich und faktenbasiert entscheiden – die bevorstehende Bewertung durch die EFSA im kommenden Jahr werde durch die heutige Entscheidung jedenfalls nicht beeinflusst.
Global 2000 forderte vor der heutigen Abstimmung von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) diesmal gegen die Zulassungsverlängerung von Glyphosat zu stimmen. "Ein Ja zur Verlängerung von Glyphosat hätte fatale Symbolwirkung", hieße es vonseiten von Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker der NGO. Eine Zustimmung stünde im Widerspruch zum österreichischen Nein unter Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) vom Jahr 2017, "es wäre auch im Widerspruch zu der bisherigen parteiübergreifenden Ablehnung von Glyphosat durch alle Parlamentsparteien."
Die SPÖ weist in einer Aussendung darauf hin, dass die Zustimmung zur Verlängerung "im krassen Widerspruch zum aufrechten und bindenden Beschluss des Nationalrats" stünde, dieser zwinge sowohl Totschnig wie auch jeden ihn vertretenden Beamten "gegen jegliche Zulassung von Glyphosat" zu stimmen!". SPÖ-Landwirtschaftssprecherin Cornelia Ecker verwies hier auf den Beschluss im EU-Unterausschuss des Nationalrats im Jahr 2017, der mit eindeutiger Mehrheit gefasst wurde.
Nationalrat beschloss im Vorjahr einstimmig ein Teilverbot
In Österreich beschloss der Nationalrat im Mai des Vorjahres einstimmig ein Teilverbot von Glyphosat. An sensiblen Orten wie Kinderspielplätzen, Parks sowie Einrichtungen der Altenbetreuung oder Gesundheitseinrichtungen darf es nicht mehr eingesetzt werden. Ebenso sind Haus- und Kleingartenbereich und private Verwendung betroffen. In der Landwirtschaft, in der es bei weitem am meisten zum Einsatz kommt, bleibt es aber weiter erlaubt.
Eine AGES-Auswertung für den Zeitraum 2017 bis 2022 zeigte bei 2952 Proben in 164 (5,6 Prozent) Glyphosat bestimmbar, aber in nur vier kam es dabei zu Grenzwertüberschreitungen (zweimal Honig, Leinsamen und Linsen einmal) – eine eindeutige Bestimmbarkeit nach Herkunftsregion gibt es noch nicht, in einer vorläufigen Auswertung war jedoch bei einer Mehrheit diese nicht zuordenbar. (APA)
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