Keine Mehrheit: Reform des Energiecharta-Vertrags gescheitert
Eine von Österreich befürwortete Modernisierung des Vertrags scheiterte am Freitag. Ohne die Stimmen Deutschlands, Frankreichs, Spaniens und der Niederlande kam keine Mehrheit zustande.
Wien – Der Energiecharta-Vertrag zum Schutz von Investitionen im Energiesektor steht zunehmend in der Kritik, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu behindern. Mehrere Länder, unter ihnen Frankreich, die Niederlande und Spanien, haben bereits angekündigt, offiziell aus dem Vertrag auszusteigen. Italien ist schon länger draußen, zuletzt kündigten Slowenien und Deutschland an, sich zu verabschieden. Eine von Österreich befürwortete Modernisierung des Vertrags scheiterte am Freitag.
Ohne die Stimmen Deutschlands, Frankreichs, Spaniens und der Niederlande sei keine erforderliche qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten für den modernisierten Vertrag innerhalb der Vertragsstaatenkonferenz der Energiecharta zustande gekommen, hieß es aus dem Klimaministerium am Samstag. In Österreich wolle man nun ergebnisoffen über den vollständigen Austritt aus dem Vertrag und die weitere Vorgehensweise diskutieren.
Investitionen in fossiles Öl und Gas werden "beschützt"
"Am Energiecharta-Vertrag gibt es viele grundlegende Kritikpunkte, das gilt umso mehr nach dem Scheitern der Modernisierung. Er beschützt jetzt auch weiterhin Investitionen in fossiles Öl und Gas. Das schränkt unsere Handlungsfähigkeit im Kampf gegen die Klimakrise ein. Und das kann nicht das Ziel sein. Deshalb werden wir in Österreich – wie in vielen anderen europäischen Ländern – eine offene Diskussion über den Ausstieg aus diesem Vertrag führen", betonte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) laut Aussendung am Samstag.
"Immer mehr EU-Staaten treten aus der Energiecharta aus. Die österreichische Bundesregierung nimmt diese Entwicklungen ernst und sieht ebenso wie andere EU-Staaten die Bedenken gegen den völkerrechtlichen Vertrag in seiner derzeitigen Form", erklärte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP). Deshalb habe sich Österreich seit Jahren für eine Modernisierung der Energiecharta eingesetzt und habe auf EU-Ebene für die Modernisierung gestimmt, so Kocher. "Wir müssen aber jetzt zur Kenntnis nehmen, dass aufgrund der Entscheidung einiger EU-Mitgliedstaaten die Modernisierung nicht zustande kommt und der alte Vertrag bestehen bleibt. Daher werden auch wir nun die Lage neu bewerten und die österreichische Mitgliedschaft einer Prüfung unterziehen", so Kocher.
Zuletzt hatten SPÖ, Gewerkschaftsbund ÖGB und Arbeiterkammer (AK) einen Ausstieg aus dem Vertrag gefordert. Am Samstag forderte das globalisierungskritische Netzwerk Attac die Regierung auf, die Prüfung rasch abzuschließen, aus dem Vertrag auszusteigen und auf einen koordinierten EU-Ausstieg zu drängen. "Es ist höchste Zeit, dass sich die Regierung jenen EU-Ländern anschließt, die bereits aus dem Vertrag ausgestiegen sind. Jetzt gilt es, möglichst rasch auf einen gemeinsamen Ausstieg der EU aus diesem Klimakiller-Vertrag zu drängen. Denn ein wechselseitiger Ausstieg möglichst vieler Staaten reduziert das Risiko weiterer Konzernklagen gegen die Energiewende", sagte David Walch von Attac Österreich laut einer Aussendung.
Der Energiecharta-Vertrag ist ein multilateraler Vertrag, der 1994 durch die SPÖ/ÖVP-Regierung unter Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) unterzeichnet wurde. Mit der Ratifizierung ist Österreich seit 1998 Mitglied des Energiecharta-Vertrags. Dabei handelt es ich um einen völkerrechtlichen Vertrag mit über 50 Mitgliedsstaaten, dem die Europäische Union und alle EU-Mitgliedsstaaten angehören, mit Ausnahme von Italien, das 2016 ausgetreten ist. Nach einem Austritt bleibt der ausgetretene Vertragsstaat noch 20 Jahre an die Energiecharta gebunden. (APA)