„Robinson, Freitag und das Krokodil“: Anarchos auf dem Archipel
Auch aussichtslose Situationen können eskalieren: Otto Grünmandls „Robinson, Freitag und das Krokodil“ als Tiroler Erstaufführung im Treibhaus.
Innsbruck – „Kannibalesisches Kasperlespiel“. So hat Otto Grünmandl sein Stück „Robinson, Freitag und das Krokodil“ genannt. Ein Stück weit Kasperltheater ist es tatsächlich – nicht nur wegen des Krokodils. Gespielt wird es, wie Grünmandls Theaterarbeiten allgemein, kaum. Am vergangenen Samstag kam es gleich doppelt auf die Bühne: Im Stromboli in Hall lasen Gerti Drassl und Harald Windisch auch daraus, um Interesse am nächsten, den Hör- und Schauspielen gewidmeten Band der Grünmandl-Werkausgabe zu wecken – „Der Einmannstammtisch“ soll bald erscheinen. Im Innsbrucker Treibhaus – seit jeher um die Pflege von Grünmandls höherem Un- und gelegentlichem Irrsinn bemüht – wurde die Kasperl- oder eben Robinsonade zeitgleich tatsächlich Stück – oder zumindest hochamüsantes Stückwerk – und damit und immerhin: Tiroler Erstaufführung. Weil aufgeführt wurde „Robinson, Freitag und das Krokodil“ bislang nur anderswo, erstmals etwa Ende der 1980er-Jahre mit Grünmandl höchstselbst und Kurt Weinzierl in München.
In Innsbruck inszeniert Klaus Rohrmoser nun den Stoff frei von falschem Respekt als großen, bisweilen grausamen Kindergeburtstag: Es geht drunter und drüber, rauf – in den zweiten Stock des Treibhausturms zum Beispiel – und krachend wieder runter. Robinson (Hannes Pendl spielt die „gestrandete Existenz“ als Wiener Vorstadtstrizzi, wahlweise in Weiß oder im Echtfell-Imitat) und Freitag (Thomas Lackner mit viel Brustgetrommel, noch mehr Kraft und fragwürdigem Akzent) proben auf einem Archipel, von dem jeder behauptet, er sei sein Eigentum, passiv-aggressive Koexistenz: Miteinander wollen sie nicht, ohneeinander können sie nicht. Wegen Kakao, Kipferl und einem Billard-Queue kriegen sie sich in die Haare. Der eine sieht sich als wohlmeinender Kolonialherr von Welt, der den Wilden domestiziert, der andere als nachsichtiger Kannibale. So nachsichtig, dass er den Angeschwemmten eben nicht verspeist, sondern mit Operettigem bespaßt. Siggi Haider begleitet ihn dabei am Akkordeon. Und immer dann, wenn tropischer Trubel überhandnimmt, gibt er auch sonst ordnend den Ton an.
Die Menschheit, das ist der recht simple Kern dieses Spektakels, lässt selbst aussichtslose Situationen lustvoll eskalieren. Das Krokodil – Hausherr Norbert Pleifer ließ sich für ausgewählte Vorstellungen zum Gastauftritt überreden – faucht furchterregend, die Katastrophen verantwortet aber der Mensch. Und er beglückwünscht sich sogar dazu. Für dieses Dilemma findet „Robinson, Freitag und das Krokodil“ nicht immer schlüssige, aber in seinem Mut zu Chaos und abstrus-absurder Anarchie eindrückliche Bilder. (jole)
Infos
Robinson, Freitag und das Krokodil. Bis 2. Dezember. Nächste Vorstellung: 25. November. www.treibhaus.at