Kurz vor Besuch in Kroatien

Nehammer relativiert Veto-Drohung gegen Schengen-Beitritt Kroatiens

Bundeskanzler Karl Nehammer reist am Mittwoch nach Kroatien.
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Karner hatte am Wochenende das Schengen-System als funktionslos bezeichnet und eine Erweiterung um Kroatien, Rumänien und Bulgarien abgelehnt. Bundeskanzler Nehammer, der am Mittwoch zu einem bilateralen Besuch in Kroatien erwartet wird, hatte sich bisher nicht dazu geäußert.

Wien – Kurz vor seinem Besuch in Kroatien hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) die Veto-Drohung von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) für eine Erweiterung des Schengen-Raums in Bezug auf Kroatien relativiert. "Aus Kroatien spüren wir kaum einen Migrationsdruck in den Norden. Da Kroatien den Grenzschutz vorbildlich erfüllt, sehe ich da kein Problem. Über die Länder wird ja einzeln abgestimmt", sagte Nehammer laut der Kleinen Zeitung am Dienstag in Klagenfurt.

In einer Stellungnahme gegenüber der APA argumentierte Nehammer wie zuvor Karner, dass eine Ausweitung des Schengen-Gebietes "ein falsches Signal" wäre, solange die Außengrenzen nicht ausreichend geschützt seien. "Ein Europa ohne Grenzen nach innen funktioniert nur mit starken Grenzen nach außen", so der Bundeskanzler, der einmal mehr die EU-Kommission in der Pflicht sah.

Karner hatte am Wochenende das Schengen-System als funktionslos bezeichnet und eine Erweiterung um Kroatien, Rumänien und Bulgarien abgelehnt. Bundeskanzler Nehammer, der am Mittwoch zu einem bilateralen Besuch in Kroatien erwartet wird, hatte sich bisher nicht dazu geäußert.

Die drei Staaten warten seit ihren EU-Beitritten in den Jahren 2007 bzw. 2013 darauf, Teil des Schengen-Gebiets zu werden. In diesem sind Kontrollen an den Binnengrenzen aufgehoben, während die Außengrenzen verstärkt kontrolliert werden. Der tschechische Ratsvorsitz hat die Schengen-Erweiterung zu einer seiner obersten Prioritäten gemacht und will im Rahmen des EU-Innen- und Justizministertreffens Anfang Dezember darüber abstimmen lassen. Die Erweiterung bedarf Einstimmigkeit unter den Schengen-Mitgliedstaaten.

Diskussionen in Kroatien

In Kroatien sorgt das mögliche österreichische Veto für einen Schengen-Beitritt des Landes seit dem Wochenende für politische Diskussionen. Ministerpräsident Andrej Plenković war am Montag um Beruhigung bemüht. Die österreichische Regierung reagiere lediglich auf die Besorgnis der Österreicher über die illegale Migration, sagte er nach Angaben der Nachrichtenagentur Hina.

Plenković nannte illegale Migration, Energiepreise und Inflation als wichtige innenpolitische Themen in Österreich. "Die nächste Wahl in Österreich ist im Jahr 2024, aber diese Themen erfordern sicherlich, dass die Regierung dazu Stellung nimmt", fügte der Chef der ÖVP-Schwesterpartei HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) hinzu.

Zwar verstehe er die Sorgen Wiens, doch erwarte er Unterstützung und Verständnis für das, was Kroatien auf dem Weg zur Erfüllung der Schengen-Beitrittskriterien getan habe. "Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende erfolgreich sein werden", sagte er im Vorfeld des Besuchs von Bundeskanzler Nehammer in Zagreb.

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Schärfer äußerte sich der kroatische Staatspräsident Zoran Milanović. "Die Äußerungen sind besorgniserregend", sagte er mit Blick auf Karner. Milanović kündigte an, dass er bei Nehammers Zagreb-Besuch mit dem Kanzler sprechen "und mich für unseren Beitritt einsetzen" werde. "Mehr kann ich nicht tun", sagte der frühere sozialdemokratische Regierungschef. Karners Widerstand gegen die Schengen-Erweiterung sei in Wirklichkeit "eine Abrechnung zwischen einigen EU-Mitgliedern auf Kosten Kroatiens".

Optimistisch zeigte sich unterdessen Innenminister Davor Božinović, der am 8. Dezember Grünes Licht für Kroatien erwartet. "In den vergangenen Tagen hat Österreich mehrfach erklärt, dass sich seine Sorgen nicht auf ein einzelnes Land beziehen, sondern auf das Funktionieren des Schengen-Raums. Unser Argument in diesem Zusammenhang ist, dass Schengen nur mit Kroatien als Mitglied stärker werden kann", sagte er laut Hina. (APA)

EVP-Chef Weber klar für Erweiterung des Schengen-Raums

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, hat sich klar für eine Aufnahme von Rumänien, Bulgarien und Kroatien in den Schengen-Raum ausgesprochen. In Bezug auf das von Österreich angedrohte Veto gegen die Schengen-Erweiterung sagte Weber der Wiener Zeitung (Mittwoch): "Wir arbeiten auf Faktengrundlagen – die Kroaten haben das gleiche Recht wie die Österreicher oder Deutschen. Die EU-Kommission hat eine eindeutige positive Bewertung abgegeben."

"So sehr ich Karl Nehammer bei der Migrationsfrage unterstütze, so klar werbe ich für die Schengen-Erweiterung", meinte der EVP-Chef. "Wir sind in Krisenzeiten, da ist die Erweiterung die Vergewisserung, dass wir an unsere eigenen Prinzipien glauben." Eine Rückkehr zum voll funktionierenden Schengen-Raum ohne Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedsstaaten werde es geben, wenn es eine voll funktionierende Migrationslösung gebe, sagte Weber und zeigte sich zuversichtlich, dass es dazu bald noch während des tschechischen EU-Ratsvorsitzes bis Jahresende eine Einigung geben könnte. "Wir haben nach Jahren eine echte Chance, dass das gelingt."

In Bezug auf den Druck der österreichischen Regierung auf die EU wegen der steigenden Asylzahlen zeigte Weber "volles Verständnis für Kanzler Karl Nehammer und die österreichische Regierung". Wenn Frankreich und Italien um ein Flüchtlingsboot stritten, gebe es einen Sonderministerrat, "aber wenn 100.000 Leute nach Österreich kommen, interessiert das keinen Menschen", so der EVP-Chef. Die Zahlen der Asylanträge seien nicht akzeptabel: "Wir schlafwandeln gerade in die nächste Migrationskrise."

Der "überraschend starke tschechische Ratsvorsitz" schaffe es derzeit, Bewegung und Konsens im Europäischen Rat zu erzielen, lobte Weber. Der Chef der konservativen europäischen Parteienfamilie ortet "mehr und mehr Zustimmung" auch für einen Solidaritätsmechanismus mit einer Quote zur Aufnahme von Flüchtlingen im Falle eines neuerlichen Massenzulaufs. Ob Migranten eine Bleibeperspektive hätten, müsste zuvor aber an der Außengrenze der EU, im Süden, schnell überprüft werden.

Zur Kooperation Österreichs mit Serbien und Ungarn in der Migrationsfrage meinte Weber, dass "alle Gespräche nutzen". Im Fall von Serbien habe es auch bereits Erfolge gegeben. Ungarn dagegen sei "einer der Mitverursacher der Probleme, die wir mit Migration haben", so Weber. "Viktor Orban muss sich einfach entscheiden, ob er ein Teil der Europäischen Union sein will. Das gilt ja auch für andere Bereiche." (APA)