Hauptstadt auch ohne Wasser

Region Kiew ohne Strom, Säugling bei russischen Angriff getötet

Einsatzkräfte bei den Aufräumarbeiten in der Kleinstadt Wilnjansk.
© KATERINA KLOCHKO

Nach russischen Raketenangriffen konnte in der Hauptstadt Kiew die Strom- und Wasserversorgung zumindest teilweise wieder hergestellt. Das russische Militär hatte am Mittwoch nach Angaben Kiews etwa 70 Raketen und Drohnen auf die Ukraine abgeschossen.

Kiew, Moskau – Bei erneuten russischen Angriffen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew sind am Mittwoch mindestens drei Menschen getötet worden. Sechs weitere Menschen seien verletzt worden, erklärte die Militärverwaltung im Online-Dienst Telegram. Demnach wurde bei der Bombardierung ein zweistöckiges Wohngebäude getroffen. Die Region Kiew ist nach den Angriffen ohne Strom. In der Hauptstadt Kiew sei zudem die Wasserversorgung ausgefallen, hieß es. Im ganzen Land wurde Luftalarm ausgelöst.

Auch am Dienstag gab es in Teilen Kiews keinen Strom.
© APA/AFP/SERGEI SUPINSKY

"Wegen der Bombardements ist die Wasserversorgung in ganz Kiew unterbrochen", erklärte Bürgermeister Vitali Klitschko auf Telegram. Fachleute seien im Einsatz, um diese so schnell wie möglich wiederherzustellen. Durch den russischen Beschuss sei auch ein Objekt der kritischen Infrastruktur beschädigt worden, schrieb Klitschko auf Telegram. Um welches Gebäude es sich handelte, ist unklar.

Der Gouverneur der Region Kiew, Oleksij Kuleba, forderte die Bevölkerung der Hauptstadt auf, in Schutzräumen zu bleiben. In der gesamten Ukraine wurde zuvor Luftalarm ausgelöst. Über Explosionen - teils auch durch die Flugabwehr - wurde zudem aus den Gebieten Odessa, Mykolajiw, Poltawa und Dnipropetrowsk berichtet. Zu möglichen Opfern gibt es noch keine Angaben.

EU-Parlamentspräsidentin Metsola ruft Städte zu Generatoren-Spenden auf

Um Menschen in der Ukraine trotz russischer Angriffe auf die dortige Infrastruktur im Winter mit Energie versorgen zu können, ruft EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola die EU-Städte zu Spenden auf. Konkret geht es darum, Generatoren zu sammeln, um eine Notversorgung für Menschen sicherzustellen, wie das EU-Parlament am Mittwoch mitteilte. "Der Bedarf ist nahezu unbegrenzt", sagte Metsola. Millionen Menschen in der Ukraine seien von der Stromversorgung abgeschnitten.

Die Kampagne "Generatoren der Hoffnung" wird unterstützt vom Verbund Eurocities, ein Netzwerk von mehr als 200 Städten in 38 Ländern. Die Generatoren sollen dazu beitragen, wichtige Einrichtungen im Land wie Krankenhäuser, Schulen, Wasserversorgungseinrichtungen, Hilfszentren, Notunterkünfte, Telefonmasten und vieles mehr mit Energie zu versorgen.

Auch mehrere Blöcke des Atomkraftwerkes Süd-Ukraine wurden nach Angaben des Betreibers Energoatom inzwischen abgeschaltet. Grund dafür seien die russischen Luftangriffe auf weite Teile der Ukraine. Mit dem Kraftwerk sei alles in Ordnung, sagt ein Sprecher von Energoatom. Strom werde nicht erzeugt. Zudem wurden das AKW Chmelnyzkji im Westen sowie das AKW Riwne im Nordwesten des Landes vom Stromnetz genommen. Wegen der Angriffe war auch die westukrainische Stadt Lwiw nach Angaben ihres Bürgermeisters ohne Strom.

Die russischen Raketenangriffe führten auch zu einem massiven Stromausfall in der benachbarten Republik Moldau. Die Hälfte des Landes werde nicht mit Strom versorgt, teilt Vize-Ministerpräsident Andrei Spuni, der zugleich Infrastrukturminister ist, auf Twitter mit. Stromausfälle werden dem Innenministerium zufolge auch aus der abtrünnigen von Russland unterstützten Region Transnistrien im Osten gemeldet.

Entbindungsstation getroffen, Säugling getötet

Bereits in der Nacht wurde in der ukrainischen Region Saporischschja ein Krankenhaus getroffen. Ein Säugling soll dabei ums Leben gekommen sein. "Schmerz überflutet unsere Herzen - ein Säugling, der gerade erst auf die Welt gekommen ist, wurde getötet", schrieb der Militärgouverneur von Saporischschja, Olexandr Staruch. Rettungskräfte seien in der Kleinstadt Wilnjansk im Einsatz.

Eine Entbindungsstation in der Kleinstadt Wilnjansk wurde dem Erdboden gleich gemacht.
© APA/AFP/KATERINA KLOCHKO

Raketeneinschläge gab es in der Nacht auch in den benachbarten Regionen Donezk und Dnipropetrowsk. In Donezk, wo die russischen Truppen seit Wochen verstärkt angreifen, sprachen ukrainische Behörden von einem Toten und acht Verletzten. In der Region Dnipropetrowsk habe es keine Opfer gegeben. Es seien aber mehr als 30 Geschoße in Ortschaften eingeschlagen, sagte Militärgouverneur Walentyn Resnitschenko.

Kontingent an iranischen Waffen nahezu aufgebraucht

Indes wurde bekannt, dass der Transport russischen Öls durch die Ukraine teilweise ausgesetzt wurde. Betroffen sei der durch die Ukraine führende Abschnitt der Druschba-Pipeline, hieß es vom Betreiber Transneft. Von Belarus werde aber weiter Erdöl in die Ukraine gepumpt, meldete die russische Agentur Tass.

Ungeachtet der neuen Angriffe tauschten die Konfliktparteien erneut Gefangene aus. "Wir haben 36 unserer Leute nach Hause geholt - einen Zivilisten und 35 Soldaten", teilte der Chef des Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Jermak, beim Nachrichtendienst Telegram mit. Unter den Freigekommenen seien Verteidiger der Stadt Mariupol und Nationalgardisten, die zu Kriegsbeginn in der Sperrzone um das 1986 havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl in Gefangenschaft gerieten. Das russische Verteidigungsministerium in Moskau bestätigte, dass am Mittwoch 35 eigene Soldaten freigekommen seien. Sie sollen demnach nun zur medizinischen Behandlung nach Moskau geflogen werden.

Militärische Objekte und Stromnetz als Ziele

Unterdessen dürfte Russland bald Nachschub an iranischen Waffen brauchen. Das Kontingent sei nahezu aufgebraucht, teilt das britische Verteidigungsministerium in seinem täglichen Geheimdienstbericht auf Twitter mit. Seit September seien Hunderte Drohnen eingesetzt worden, aber nur mit "begrenztem Erfolg", hieß es.

Ziele der Drohnenangriffe seien vor allem taktische militärische Objekte sowie das ukrainische Stromnetz gewesen, teilte das britische Ministerium weiter mit. Zuletzt hätten die russischen Kommandanten aber verlangt, dass die iranischen Drohnen medizinische Einrichtungen ins Visier nehmen und mit Lenkmunition angreifen. Dass seit einigen Tagen keine Angriffe mit Kamikaze-Drohnen mehr berichtet worden seien, deutet man in London als Zeichen, dass der Bestand "fast erschöpft" sei. (APA/dpa/Reuters)

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