„Zurückweisungsrichtlinie“ gefordert

Karner legt sich zu Schengen-Beitritt Kroatiens nicht fest

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.
© APA/HANS KLAUS TECHT

Wien – Nachdem Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) die österreichische Veto-Drohung für eine Erweiterung des Schengen-Raums zumindest in Bezug auf Kroatien relativiert hat, wollte sich Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Mittwoch trotz mehrmaliger Journalisten-Nachfragen vor dem Ministerrat nicht festlegen. Er deutete aber an, dass Kroatiens Grenzschutz nicht als Problem gesehen wird.

Die EU-Kommission hatte am vergangenen Mittwoch die Erweiterung des grenzkontrollfreien Schengen-Raums auf Kroatien, Bulgarien und Rumänien empfohlen. Karner zeigte sich darob wenig begeistert: "Wenn das System nicht funktioniert, kann ich doch ein System, das nicht funktioniert, nicht noch größer machen, und daher gibt es hier von mir als Innenminister, verantwortlich für die Sicherheit, aus jetziger Sicht ein klares Nein", ließ er wissen. In Kroatien sorgte dies für Aufregung.

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Genau dorthin führt am heutigen Mittwoch Kanzler Nehammer eine Dienstreise. Wohl um die Wogen im Vorfeld etwas zu glätten, relativierte der Kanzler Karners Veto-Drohung am Vorabend: "Aus Kroatien spüren wir kaum einen Migrationsdruck in den Norden. Da Kroatien den Grenzschutz vorbildlich erfüllt, sehe ich da kein Problem. Über die Länder wird ja einzeln abgestimmt."

Karner wollte darin vor dem Ministerrat offenbar keinen Widerspruch erkennen: Der Vorschlag der EU-Kommission, der alle drei Länder umfasse, sei "überfallsartig" gekommen, meinte der Innenminister auf Journalistenfragen. Dieser Vorschlag mit allen drei Ländern komme "nicht infrage". Der Bundeskanzler und er hätten ein gemeinsames Ziel. Mit Verweis auf die Schlepperrouten deutete Karner durchaus an, dass Kroatien nicht das Problem wäre - eine klare Antwort auf die Frage nach einem Veto gegen Kroatien gab der Minister aber trotz mehrerer Versuche nicht: "Wir verhandeln derzeit intensivst", meinte er bloß, nun müsse er in den Ministerrat, entschuldigte er sich.

Karner fordert "Zurückweisungsrichtlinie"

Mittwochabend reist der Innenminister nach Prag. Dort will er vor allem zwei Forderungen aufs Tapet bringen, wie Karner zuvor mitteilte: Die Kommission solle die Unterstützung des Grenzschutzes in betroffenen Ländern finanzieren. Zudem fordere er eine Art "Zurückweisungsrichtlinie". Demnach solle die Kommission prüfen, wie es rechtlich möglich wäre, sich Einzelfallprüfungen zu ersparen bei jenen, "die praktisch keine Chance auf Asyl haben". Umgekehrt habe man es ja auch für die Ukrainer geschafft, innerhalb weniger Tage die Vertriebenenrichtlinie in Kraft zu setzen, erinnerte Karner.

Der Innenminister versicherte jedenfalls, den "Kampf gegen die illegale Migration und die Schleppermafia mit aller Konsequenz" fortsetzen zu wollen. Erst vor wenigen Tagen habe er sich selbst ein Bild an der burgenländisch-ungarischen Grenze gemacht. Allein in diesem Jahr habe es hunderttausend Aufgriffe gegeben, 75.000 davon seien davor nicht registriert gewesen - Österreich sei ein Binnenland, "da läuft etwas falsch", bekräftigte Karner seine Kritik. Es sei notwendig, dass das System geändert werde.

Österreich hat derzeit am Westbalkan über 110 Beamte stationiert, die beim Grenzschutz unterstützen sollen. Die Zuschläge für Polizisten im Auslandseinsatz werden ab 1. Dezember angehoben, kündigte Karner an. Die Erhöhung beträgt 1100 Euro brutto, was etwa 600 Euro netto ausmacht. (APA)

Karas fordert: Schluss mit Blockade

In der Diskussion um die Erweiterung des Schengen-Raums um Kroatien, Bulgarien und Rumänien hat der Erste Vizepräsident des Europaparlaments, Othmar Karas (ÖVP), dazu aufgerufen, die Aufnahme dieser Länder nicht zu blockieren. Er sei darüber verwundert, dass Österreich eine Blockade in den Raum gestellt habe, sagte Karas am Mittwoch in einem Online-Pressegespräch. Eine Schengen-Blockade trage nichts zur Lösung bei den Asylzahlen bei und habe damit auch nichts direkt zu tun.

Beides zu vermischen, sei "unverantwortlich und unsäglich", sagte Karas. Ebenso wenig würde auch eine von seinen Parteikollegen angeregte Änderung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu irgendeiner Lösung beitragen. Das Hauptproblem bei den steigenden Asylzahlen sei, dass die Menschen im Moment aus Ungarn kämen, welches die Schengen-Außengrenze bilde, und dass Serbien einigen Ländern, die den Kosovo nicht anerkennen, Visafreiheit gewährt habe, "es ist nicht Bulgarien und Rumänien", sagte Karas. Was Serbien mache, sei einem Land, das EU-Mitglied werden wolle, unwürdig. "Hier muss es gemeinsam abgestimmte Vorgangsweise geben", forderte der EU-Parlamentsvize. Von Österreich wünsche er sich, dass es innerhalb der EU und gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten handle.

Derzeit würden die Telefone auf allen politischen Ebenen unter den beteiligten Staaten heißlaufen, um eine Lösung zu finden. Karas erwartet einen Beschluss zur Schengen-Erweiterung um Kroatien, Rumänien und Bulgarien beim EU-Innenministerrat am 8. Dezember. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft wolle auch eine Unterstützung der EU-Staaten für das von der EU-Kommission vorgeschlagene Asyl-und Migrationspaket und nicht "die heiße Kartoffel" an den nachfolgenden schwedischen EU-Vorsitz weiterreichen. "Ich hoffe, dass jetzt Schluss ist mit den Blockaden und dem Stillstand", so Karas. Es sei niemanden damit gedient, unterschiedliche Themen miteinander zu junktimieren.

Das Europaparlament habe der Schengen-Erweiterung zugestimmt, darunter die österreichischen Abgeordneten mit Ausnahme der FPÖ. Der EU-Rat und das EU-Parlament hätten sich außerdem auf einen Fahrplan geeinigt, wonach der Asyl- und Migrationspakt bis Februar 2024 beschlossen wird und bis spätestens April 2024 in Kraft tritt. "Mangelende Solidarität in der Asyl- und Migrationsfrage ist kurzsichtig", so Karas. Auch seien jetzt Einzelmaßnahmen nicht mehr förderlich.

Vor dem Hintergrund des 70-jährigen Bestehens des Europaparlaments forderte Karas die EU-Staats- und Regierungschefs auf, "der europäischen Demokratie ein Geburtstagsgeschenk zu machen". Der EU-Gipfel sollte seine Zustimmung geben zur Einberufung eines Konvents für eine EU-Vertragsreform, auch um die aktuellen Krisen zu Energie, Flüchtlingen und sozialen Fragen leichter bewältigen zu können.

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