Innsbrucker PhD-Studentin

Womöglich erste Österreicherin im All: Neo-Astronautin Possnig im Interview

Carmen Possnig wurde als Ersatzastronautin ins Astronautenkorps der europäischen Raumfahrtagentur ESA aufgenommen.
© APA/BMK/PERWEIN

Vor fast genau fünf Jahren absolvierte Carmen Possnig, PhD-Studentin an der Universität Innsbruck, im Auftrag der ESA einen einjährigen Aufenthalt in der Antarktis. Nun könnte sie als erste Österreicherin ins All starten: Sie ist Teil des neuen Astronautenkorps.

Wien – Die 1988 in Klagenfurt geborene Medizinerin Carmen Possnig könnte die erste Österreicherin im All werden. Mit ihrer Aufnahme ins Astronautenkorps der europäischen Raumfahrtagentur ESA als Ersatzastronautin ist Possing nahe dran an einem Weltraum-Aufenthalt. Bisher war das mit Franz Viehböck im Jahr 1991 erst einem Österreicher vergönnt. Im Gespräch mit der APA gab sich Possnig am Rande der Präsentation in Paris überwältigt.

Herzliche Gratulation! Fangen wir doch mit der klassischen Sportreporterfrage an: Wie fühlt sich das jetzt für Sie an, im Astronautenkorps dabei zu sein?

Carmen Possnig: Ganz großartig, wirklich toll! Ich kann das noch gar nicht richtig glauben.

Wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen ein, tatsächlich einmal aufzurücken und in eine zukünftige Weltraum-Mission mit einzusteigen?

Possnig: Das ist jetzt natürlich schwer zu sagen. Es wurden jetzt einmal fünf "Karriereastronauten" ausgewählt, und die Zahl der Einsätze hängt natürlich mit der Zahl der Flüge, die die ESA plant oder bereitstellen kann, zusammen. Es ist aber schon so, dass sich Richtung Weltall gerade sehr viel entwickelt und das Feld sehr wächst. Dadurch ist es durchaus möglich, dass es auch mehrere Flüge geben wird. Daher bin ich sehr positiv eingestellt.

Wie ist das Auswahlverfahren aus Ihrer Sicht abgelaufen?

Possnig: Es war mit 18 Monaten doch relativ lange. Begonnen hat das Ganze im April 2021, insgesamt waren sechs verschiedene Stadien zu durchlaufen. Als Erstes waren es kognitive Test, dann kamen auf die Psychologie ausgerichtete Tests, um unseren Charakter und unsere Persönlichkeit zu erproben. Das nächste war dann eine Woche mit medizinischen Tests. Geprüft wurde, ob wir wirklich gesund und geeignet für den Weltraumflug sind. Die letzten beiden Runden waren dann Panel-Interviews mit verschiedensten ESA-Vertretern und am Schluss gab es das Gespräch mit dem Generaldirektor (dem Österreicher Josef Aschbacher, Anm.).

Wir sind jetzt die 17, die es ins Finale geschafft haben (rund 22.500 Kandidaten hatten sich ursprünglich beworben, Anm.). Unter den über 22.000 habe ich so viele tolle, lustige, intelligente und nette Menschen kennengelernt. Es bis hierher geschafft zu haben, ist einfach auch Glück. Das waren alles sehr tolle Leute!

Wie war es für Sie, derart auf Herz und Nieren geprüft zu werden? Sie haben ja bereits ein Jahr auf einer isolierten Forschungsstation in der Antarktis zugebracht. Haben Sie von diesen Erfahrungen profitiert?

Possnig: Schon ein bisschen, glaube ich. In der Antarktis war es ganz praktisch, mich selbst kennenzulernen. So eine Art von Selbstreflexion war ja hier durchaus gefragt. Das Verfahren jetzt war aber natürlich viel intensiver als das Auswahlverfahren für die Antarktis.

📽️ Video | Carmen Possnig über ihre Weltallmission

Was steht jetzt für Sie am Programm? Wie sieht das Leben für Sie als Reserveastronautin aus?

Possnig: Wir haben jetzt praktisch Beraterverträge, bekommen Trainings von der ESA, haben jährliche medizinische Check-ups und werden je nach unseren persönlichen Fähigkeiten und professionellen Hintergründen auf Missionen geschickt, wo wir in verschiedensten Funktionen für die ESA tätig sind.

Sie sind PhD-Studentin an der Universität Innsbruck im Bereich Weltraummedizin. Wie fügt sich all das in Ihre aktuelle Karriere ein?

Possnig: Ich glaube, das wird ganz gut harmonieren! Natürlich hat mein PhD Priorität. Die ESA ist sehr bedacht darauf, dass wir auch unsere eigenen Jobs haben und das andere drumherum geschehen muss.

Woher speist sich Ihr Antrieb, sich ein Jahr lang in die Antarktis zu begeben oder sich möglicherweise ins Weltall zu manövrieren? Was treibt Sie an?

Possnig: Das ist ein bisschen der Entdeckerdrang, das Erforschen des Unbekannten! Ich war schon als Kind von den Geschichten von Humboldt und Amundsen inspiriert. Von Leuten, die einfach in unbekannte, weiße Landflecken vorgedrungen sind, um etwas zu erforschen, um Wissenschaft zu betreiben. Das hat mich auch motiviert. Ich habe mir immer gedacht, dass es das jetzt so nicht mehr gibt, aber das Äquivalent dazu ist heute der Weltraum. Da kann noch so viel erforscht werden und so viel Positives für das Leben auf der Erde erbracht werden. Es ist toll, dass ich ein Teil davon sein kann!

Das Gespräch führte Nikolaus Täuber/APA

ESA-Suche nach AstronautInnen

Die ESA war seit dem Vorjahr auf der Suche nach bis zu sechs Astronautinnen und Astronauten in Festanstellung. Fünf "Karriereastronauten" sind es nun geworden: Sophie Adenot aus Frankreich, Pablo Álvarez Fernández aus Spanien, Rosemary Coogan aus Großbritannien, Raphaël Liégeois aus Belgien und Marco Alain Sieber aus der Schweiz.

Neben ihnen sind nun elf "Reserveastronauten" und mit dem Briten John McFall der erste Astronauten-Kandidat mit einer körperlichen Beeinträchtigung Teil der "ESA-Astronautenklasse 2022".

In die zweite Runde des Auswahlprozesses schafften es Anfang des Jahres insgesamt 530 Frauen und 831 Männer. Unter den österreichischen Bewerberinnen schafften die erste Hürde immerhin 13 von 116, von den 350 männlichen Interessenten verblieben ebenfalls 13 im Rennen um die begehrten Topjobs.

Das Auswahlverfahren hatte insgesamt sechs Stufen, wie der aus Tirol stammende ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher bei der Präsentation erklärte: "Die letzte Stufe war ein Interview mit mir." Er habe in diesen Gesprächen "sehr interessante Menschen" mit "einzigartigen Persönlichkeiten" kennengelernt". Egal ob "Karriere-" oder "Reserve" – alle seien "fähig ins All zu fliegen" und seien hiermit "Astronauten".