„Eco Land Art“ im Taxispalais Innsbruck: Zauberschnee fällt auf Protestierende
Viele Fragen, vage Antworten: Die heute eröffnete Schau „Eco Land Art“ im Taxispalais geht in die Landschaft und landet in der Esoterikkiste.
Innsbruck – Der Land Art ging es immer um die Kunst. Minimalistisch, aber radikal setzten Künstler, vor allem in den USA der 1960er, ihre Einschnitte in die Landschaft, zogen wie Robert Smithson eine riesige Spirale aus Stein durch einen Salzsee – vor allem um dem Kunstbetrieb keine weiteren Spekulationsobjekte mehr zu liefern. Vielem, was heute gemeinhin als „Land Art“ bezeichnet wird, geht es im Gegensatz dazu mehr ums Land als um Art, daran hat die beständig näherrückende Klimakrise nicht ausschließlich Schuld – sie hat dem zuletzt aber Aufwind gegeben. Aufwind für Gegenwind: Aktivismus, die Frage nach Machtverhältnissen und teilweise auch ordentlich viel Naturmystik spielen heute eine Rolle im Dialog von Kunst mit Landschaft. Geführt wird dieser im Betrieb derzeit überall. Von der großen documenta bis zur kleinen Biennale Gherdëina.
Zwei Formate, die mit „Eco Land Art“ nun auch im Taxispalais Kunsthalle Tirol landen. Das Thema ist dort längst angesiedelt: Schon mit „Ökokino“ unternahm Direktorin Nina Tabassomi 2019 eine lustvolle Auseinandersetzung mit dem sterbenden Planeten. Die neue, heute Abend eröffnende Ausstellung geht weiter. Mit „Eco Land Art“ schlägt Tabassomi der Land Art prompt ein ziemlich verschlüsseltes, aber zeitgenössisches Software-Update vor – ohne aber Infos zur Vorgängerversion mitzuliefern.
Die Schau will lieber schnell, unverstellt, direkt ins Gespräch mit der Landschaft gehen. Zunächst, das leuchtet ein, in Tirol. Mit der am Start der Ausstellung aufliegenden Weihnachtskarte samt „naturfreundlichen Grüßen“ von Hannelore Henning weiß man jedoch nichts anzufangen. Ebenso wenig wie mit dem Originalbild, das im Untergeschoß hängt. Dass sich hinter der lammfromm aquarellierten Ansicht des Platzertals der persönliche Aktivismus Hennings gegen die Kraftwerkserweiterung im Kaunertal verbirgt, muss man schon nachlesen. Das Megaprojekt samt 120-Meter-Staudamm spaltet Tirol seit Jahren, in einer Gesprächsreihe soll deshalb debattiert werden. Wer kommt, was besprochen wird, verrät das Programm aktuell noch nicht – was das Thema fürs Erste also zur schnöden Nebensache macht.
Facettenreicher, ja relevanter, wird der Dialog mit der Landschaft in zwei Beiträgen, die direkt von der documenta in Kassel nach Innsbruck kommen. Marwa Arsanios Filmserie „Who is afraid of ideology?“ etwa denkt in ihrem jüngsten Kapitel über die Zukunft eines Stücks Landschaft im Norden des Libanons nach. Wie kann privater Besitz der Gemeinschaft zukommen? Die Antworten bleiben vage. Fragen aber werden wenigstens gestellt – auch bei Amol K Patil in Mumbai. In seinem Video wird Protest erstmals spielerisch dargestellt: Auf Rollschuhen düst der Künstler durch die City – und erzählt dabei seine ganz eigene Geschichte von Tradition und Familie.
Zarter wird’s dagegen bei Katharina Cibulka: In einer Arbeit von 2014 belebte die Tirolerin eine leblose Autobahnschneise mit einem Mittelstreifen aus weiß-blühendem Zauberschnee, einer Pflanze, die in der Natur längst ausgestorben ist. Cibulkas künstlerischer Protest ist einer, der sich nicht aufdrängt – und vielleicht auch deshalb nachhallt.
Anders bei Alex Cecchetti, dessen Jurte die Halle im Untergeschoß komplett ausfüllt. Auf„Sentiero/Weg“, Cecchettis Beitrag für die Biennale Gherdëina, muss man sich einlassen wollen. Bis vor Kurzem diente der aus heimischen Naturmaterialien und Heu gebaute Unterschlupf als Ziel von Cecchettis zweistündiger, performativer Wanderung mit Publikum durch die Natur. Vorbei an „Waldgeistern“, mitten hinein ins eigene Selbst. Ist das noch Kunst – oder schon Esoterik? Das fragt man sich in dieser Schau nicht bloß einmal. Man kann Cecchetti das bei acht geplanten Wanderungen auf die Nordkette auch selbst fragen. Die erste steht morgen, 9.30 Uhr, an.
📍 Taxispalais Kunsthalle Tirol. Maria-Theresien-Straße 45, Innsbruck; bis 26. Februar, Di–So 11–18 Uhr, Do 11–20 Uhr.