16 Tage gegen Gewalt

Selbstbehauptungskurse für Mädchen und Frauen: „Ich kann sehr viel machen“

Derya Nonnato (vorne) bietet gemeinsam mit dem Jugendzentrum Z6 (im Bild Geschäftsführerin Elisa Dörler), dem Verein Frauen gegen VerGEWALTigung (Doris Stauder) und dem Mädchenzentrum Aranea (Katharina Lotta, von links) Kurse zur Selbstbehauptung an.
© Klinger

Lernen, sich entsprechend zu verteidigen: Derya Nonnato trainiert Mädchen und Frauen und trägt damit zur Gewaltprävention bei. Der Zugang zu Kursen sollte für alle offen sein.

Innsbruck – „Wenn ich entführt werde, weiß ich, wie ich mich wehren kann.“ Das Mädchen, von dem diese Aussage stammt, ist elf Jahre alt. Es hat gerade einen Selbstbehauptungskurs besucht, sechs der acht Teilnehmerinnen im Alter von 10 bis 13 Jahren gaben dabei an, schon Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht zu haben. „Meistens ging es darum, dass ein Auto anhielt und der Mann hinter dem Steuer fragte, ob er sie mitnehmen solle“, erzählt Wen-Do-Trainerin Derya Nonnato. Sie bietet speziell entwickelte Kurse für Selbstbehauptung, Selbstfürsorge und Gewaltprävention an – oft gemeinsam mit dem Verein Frauen gegen VerGEWALTigung, dem Mädchenzentrum Aranea und dem Jugendzentrum Z6. Wen-Do kommt aus dem Japanischen und steht für Weg der Frauen.

Dazu gehört nicht nur das Erlernen von Techniken, wie sich Mädchen und Frauen mit einfachen Griffen gegen körperliche Angriffe wehren können. „In einem geschützten Rahmen, den es sonst nicht dafür gibt, üben wir verbale und körperliche Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen und präventive Maßnahmen anzuwenden“, sagt Nonnato, die früher in der Mädchen- und Frauenberatung tätig war. Dazu gehört auch ein selbstbewusstes Auftreten.

Dass für die Teilnehmerinnen auch die Frage, ob man sich überhaupt wehren und Nein sagen dürfe, eine nicht unbedeutende Rolle spielt, führt sie auf die Sozialisation zurück: „Eigene Bedürfnisse zählen weniger.“ Besonders Mädchen und Frauen müssten darin bestärkt werden, nicht nach den Erwartungen anderer handeln zu müssen. Es gilt, die eigenen Grenzen wahrzunehmen und sich entschlossen zu wehren, wenn diese missachtet werden. „Gewalt ist ein Teil unserer Gesellschaft. Es geht aber nicht nur um körperliche Gewalt, es beginnt schon mit der Herabsetzung anderer.“ Diese Form der Machtausübung früh zu erkennen, dafür brauche es noch viel Sensibilisierungsarbeit. „Wo findet Abwertung statt? Darauf aufmerksam zu machen, um entsprechend reagieren zu können, ist eines meiner Ziele.“

In der Gruppe lernen die Teilnehmerinnen auch, dass sie nicht alleine sind mit ihren schlechten Erfahrungen. Nonnato: „In einem Kurs für Mädchen ab 14 Jahren haben 9 von 10 berichtet, schon auf unterschiedliche Weise bedrängt worden zu sein.“ Eine erwachsene Frau vertraute ihr nachher an, ihre negativen Gefühle durch diesen Austausch besser verarbeiten zu können.

Auch die Angst, nachts vor die Tür zu gehen, haben viele gemein, wie die Wen-Do-Trainerin berichtet: „Viele fühlen sich nicht sicher dabei.“ Im Lauf des Kurses verschwindet die Verunsicherung zwar nicht, „aber der Umgang damit ändert sich, man lernt, auf seine eigene Kraft zu vertrauen. Mädchen, die voller Skepsis und Scham gekommen sind, gehen mit einem Strahlen und aufrechten Gang hinaus. Das ist für mich sehr berührend.“

„Ich kann sehr viel machen, auch wenn ich es nicht wusste“, schilderte eine Teilnehmerin im Anschluss selbstbewusst. Sie weiß jetzt, wie sie sich wehren kann. Für andere geht es darum, vergangene Situationen nicht mehr erleben zu müssen oder nun mit einem stärkeren Gefühl der Sicherheit Dinge allein machen zu können. „Ich fühle mich handlungsfähig“, meint eine Frau.

Damit möglichst viele von Kursen wie diesen profitieren könnten, sollten Angebote kostenlos oder jedenfalls leistbar sein. Nonnato: „Es braucht einen Zugang ohne finanzielle Hürden – möglichst in ganz Tirol.“ Sie hofft auf Förderungen durch die öffentliche Hand. Am 3. und 4. Dezember findet im Rahmen der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen ein Wen-Do-Kurs für Erwachsene statt, Anmeldungen und Näheres unter www.wendo-tirol.at

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Folgen für die gesamte Gesellschaft

16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen umfassen die Zeit zwischen 25. November – Internationaler Gedenktag für alle weiblichen Gewaltopfer – und 10. Dezember, Internationaler Tag der Menschenrechte. Der Aktionszeitraum wird weltweit genutzt, um Ausmaß und Ausprägungen von Gewalt zu thematisieren und Bewusstsein zu schaffen, dass Gewalt als fundamentale Menschenrechtsverletzung nachhaltige Folgen für die Betroffenen, aber auch für die gesamte Gesellschaft hat.

Aktionen in Tirol: Die IVB zeigen Videospots zur Gewaltprävention, in allen Kinos ist im Vorspann ein vom Verein Frauen gegen VerGEWALTigung, dem Frauenhaus Tirol und Z6 produzierter Film zu sehen. Weitere Aktionen: www.frauenvernetzung.tirol

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