Zahlreiche Geschäfte im Iran folgen Aufruf zu Generalstreik
Auf Twitter sind geschlossene Läden auf dem Basar in Teheran und in anderen Städten zu sehen. Die Justiz will indes Urteile gegen Demonstranten „bald vollstrecken“.
Teheran – Zahlreiche Geschäftsleute in iranischen Städten haben am Montag ihre Läden geschlossen gehalten und sind offenbar einem Aufruf der Protestbewegung zu einem dreitägigen Generalstreik gefolgt. Der Twitter-Account 1500tasvir mit 380.000 Folgenden, der die Proteste eng begleitet, zeigte Videos, auf denen geschlossene Geschäfte in Innenstädten zu sehen waren. Die iranische Justiz will bereits verhängte Urteile gegen Demonstranten bald vollstrecken, darunter auch Todesurteile.
In sozialen Medien wurden Videos geteilt, die geschlossene Geschäfte in Großstädten wie Isfahan, Shiraz, Sanandaj, Ilam und Urmia zeigen sollen. Die Bilder konnten nicht unabhängig geprüft werden. Vergangene Woche hatten Aktivisten im Iran, wo seit zweieinhalb Monaten gegen die politische Führung demonstriert wird, zu neuen landesweiten Protesten und Streiks aufgerufen. Die sogenannten 14-15-16-Proteste – die Zahlen sind das Datum im persischen Kalendermonat Azar – sollen bis Mittwoch dauern.
Auch in der Hauptstadt Teheran blieben Geschäfte geschlossen. Es war allerdings unklar, ob dies als Geste einer Unterstützung der Proteste zu deuten war oder aus Angst vor möglichen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften geschah. Einige Ladenbesitzer im Teheraner Basar sollen Drohungen erhalten haben, dass sie bei einer Schließung mit heftigen Geldstrafen zu rechnen hätten.
Zeugen berichteten von einer massiven Präsenz der Basij-Miliz im Zentrum Teherans. Die halbamtliche Nachrichtenagentur Fars berichtete, ein Juweliergeschäft des früheren Fußball-Stars und Bayern-München-Spielers Ali Daei sei von den Behörden abgeriegelt worden nach der Ankündigung, für den dreitägigen Generalstreik geschlossen zu bleiben. Auf 1500tasvir waren auch Bilder aus kleineren Städten wie Bojnord, Kerman, Sabzevar und Ardabil ebenfalls mit geschlossenen Geschäften zu sehen. Die kurdisch-iranische Menschenrechtsgruppe Hengaw teilte mit, 19 Städte im Westen Irans, wo die meisten Kurden des Landes leben, hätten sich dem Streik angeschlossen.
Justiz will Urteile vollstrecken
Inmitten der anhaltenden Proteste kündigten die Behörden die baldige Umsetzung von bereits verhängten Urteilen gegen Demonstranten an. Justizchef Gholam-Hossein Mohseni-Ejei sagte nach einem Bericht des Nachrichtenportals Etemad am Montag, mehrere Urteile seien vom Obersten Gerichtshof bereits bestätigt und würden auch "bald vollstreckt". Dazu gehörten neben Haftstrafen auch Entscheidungen, bei denen Demonstranten wegen "Moharebeh" verurteilt worden seien. Im Iran steht auf "Moharabeh" – Krieg gegen Gott – die Todesstrafe. Der Iran gehört zu den Ländern, die die Todesstrafe auch vollstrecken.
Bei den Massenprotesten in dem islamischen Land wurden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen seit Mitte September mindestens 18.000 Menschen festgenommen und rund 450 getötet. Unklar ist, gegen wie viele bereits Anklage erhoben wurde. Meist wird ihnen von den Behörden Teilnahme an illegalen Demonstrationen, Unruhestiftung oder Gefährdung der nationalen Sicherheit vorgeworfen. Im November wurden Demonstranten erstmals auch zum Tode verurteilt.
Entzündet hatten sich die Proteste am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Die Kurdin war am 16. September in Polizeigewahrsam gestorben. Die sogenannte Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen haben soll.
Nach Angaben von Generalstaatsanwalt Mohammed Jafar Montazeri vom Wochenende wurde die Sittenpolizei mittlerweile aufgelöst, offenbar um weitere Proteste zu vermeiden. Die Justizbehörde werde sich jedoch weiterhin mit dieser gesellschaftlichen Herausforderung auseinandersetzen, zitierte die Tageszeitung "Shargh" Montazeri am Sonntag. Zuständig für die Sittenpolizei ist das Innenministerium, von dem es zunächst keine Stellungnahme gab. (APA/Reuters)