Organisationen fordern Schutz für Kriegsdienstverweigerer
Eine Petition ging an die EU-Spitze. Die Zahl der Kriegsverweigerer in Russland wird auf 150.000 und in der Ukraine auf 145.000 geschätzt.
Salzburg, Kiew, Moskau – Mehr als 150.000 - vorwiegend - Männer im wehrpflichtigen Alter dürften sich in Russland seit Beginn des Ukraine-Kriegs durch Flucht dem Kriegsdienst entzogen haben oder sind desertiert. In der Ukraine dürften es mehr als 145.000 Wehrpflichtige sein, in Belarus etwa 22.000. Mehrere Organisationen fordern nun mit einer Petition die EU-Spitze auf, diesen Menschen Schutz und Asyl zu gewähren.
Die Zahlen nannte am Dienstag Rudi Friedrich von "Connection e.V. - Internationale Arbeit für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure" im Rahmen eines Online-Pressegespräch des Friedensbüros Salzburg. Erstellt wurde die Schätzung mit Angaben von UNHCR, Eurostat und Rosstat, so Friedrich.
Wehrdienstverweigerung in der Ukraine unter Strafe
Der Großteil der aus der Ukraine Geflohenen hat zwar in der EU vorübergehenden Schutz erhalten, da aber die meisten von ihnen schon vor der Rekrutierung ihr Land verlassen haben, können sie in einem Asylverfahren keinen Einberufungsbefehl als Nachweis vorzeigen, so Friedrich. Und zudem stelle sich die Frage, was diese Männer später einmal bei der Rückkehr in ihrer Heimat erwarte, da Wehrdienstverweigerung unter Strafe steht. Friedrich berichtete von einer Verurteilung zu vier Jahren Haft wegen Kriegsdienstverweigerung in der Ukraine.
Außerdem sei es inzwischen für wehrpflichtige Männer in der Ukraine sehr schwierig geworden, das Land überhaupt verlassen zu können, berichtete die Exil-Russin Polina Pirch, die in Österreich Kriegsdienstverweigerern sowohl aus der Ukraine als auch aus Russland hilft, unter anderem bei der Quartiersuche.
Russen flohen vor allem in Süden
Die Verweigerer aus Russland kommen kaum nach Westeuropa, sie fliehen vor allem in die Länder südlich Russlands, etwa nach Kasachstan oder Usbekistan. Denn schon die Einreise in die EU sei schwierig, sagte Herbert Langthaler von der Asylkoordination Österreich. Da die Wiederausreise wegen der zu erwartenden Strafe in Russland nicht garantiert sei, erhielten Kriegsdienstverweigerer kein Touristenvisum. Möglich sei der Weg in die EU daher am ehesten mit einem Visum aufgrund einer Arbeitsplatz- oder Studienplatz-Zusage.
2011 hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass Kriegsdienstverweigerung ein Menschenrecht ist. In einer Petition an EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel und die Präsidentin des Europäischen Parlamentes, Roberta Metsola, wird nun gefordert, dass die EU Deserteuren und Verweigerern aus Belarus und der Russischen Föderation Schutz und Asyl gewähren soll. "Öffnen Sie die Grenzen für diejenigen, die sich unter hohem persönlichen Risiko in ihrem Land gegen den Krieg stellen." Außerdem soll die ukrainische Regierung aufgefordert werden, die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern einzustellen.
Das Friedensbüro Salzburg und die Plattform Menschenrechte wollen am kommenden Samstag, dem Tag der Menschenrechte, vor dem Salzburger Justizgebäude auf dieses Thema aufmerksam machen und auch die Petition zur Unterschrift auflegen. (APA)