Mehr Hilfe für Opfer: Regierung will „Gewaltambulanzen“ realisieren
Die Regierung kündigt neue Einrichtungen für weibliche Opfer an. Damit könne die Täter-Verurteilungsrate verdoppelt werden.
Wie – Es ist eine weltweite Initiative – mit „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ ist sie ausgeschildert. Sie läuft vom 25. November bis zum 10. Dezember. Im Rahmen dieser Aktion haben Regierungsvertreter gestern zu einem „Gewaltschutzgipfel“ geladen.
Es war nach 2020 und 2021 der dritte dieser Art. Mit Fachleuten von Polizei und Justiz, von Opferschutzeinrichtungen und aus der Wissenschaft wurde beraten.
Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) erklärte, eine von den Koalitionären beauftragte Studie zu hiesigen Frauenmorden zeige, warum Männer zu Tätern werden: Eifersucht, Gewaltvorgeschichte, Trennung, Suchtkranheit etc. „Auch die Herkunft eines Täters spielt eine Rolle“, konstatierte Raab. 40 Prozent der Femizide würden von Männern mit Migrationshintergrund begangen. „Hier gibt es Handlungsbedarf.“
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Befunde gibt es genügend zum Thema Gewalt gegen Frauen. Was wird politisch dagegen getan?
Im März hatte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) angekündigt, dass es „Gewaltambulanzen“ geben könnte. Opfern von Gewalt solle es somit möglich sein, kostenlos untersucht zu werden. „Verletzungen sollen dabei gerichtsfest dokumentiert werden.“ Nun hat sie wissen lassen, dass es solche Ambulanzen nun tatsächlich geben werde. Dort würden auch Spuren gesichert, die bei Gerichtsverfahren als Beweise verwendet werden könnten. Damit könne die Verurteilungsrate verdoppelt werden.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) berichtete, dass heuer bis Ende November mehr als 13.300 Betretungs- und Annäherungsverbote gegen Gewalttäter ausgesprochen worden sind. Mehr als 10.000 Gefährder seien zur Gewaltprävention vorgeladen, knapp 170 sicherheitspolizeiliche „Fallkonferenzen“ habe es gegeben. „Das ist beinahe eine Verdreifachung.“
Laut Karner gab es in diesem Jahr bereits 27 Femizide, drei Täter hatten ein Betretungs- oder Annäherungsverbot.
Während des gestrigen Gewaltschutzgipfels in Wien wurde – einige hundert Meter von diesem entfernt – im Landesgericht für Strafsachen ein versuchter Frauenmord verhandelt. Der Fall macht deutlich, dass ein Betretungs- und Annäherungsverbot trotz der gesetzlichen Verschärfung mitunter nicht schützt.
Seit 1. Jänner 2022 gilt mit Ausspruch eines Betretungs- und Annäherungsverbotes auch ein vorläufiges Waffenverbot für den Gefährder. Und das zuständige Bezirksgericht kann dessen Verlassen der Wohnung, in der die Betroffene gemeldet ist, mittels einstweiliger Verfügung anordnen.
All das erwirkte eine 60-jährige Frau, die sich nach 23 Jahren von ihrem um sieben Jahre jüngeren Lebensgefährten getrennt hatte, weil er ihr gegenüber stetig gewalttätiger geworden war.
Schutz boten ihr die gesetzlichen Mittel nicht.
Der Mann tauchte immer wieder vor ihrer Wohnung in Wien-Penzing auf – und passte sie schließlich am 4. Juli in einem Durchgang zu ihrem Wohnhaus ab. Er ging laut Anklage auf sie los, packte sie, hielt ihr den Mund zu, stach dann mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 12,5 Zentimetern in ihre Brust. Hernach lief er davon.
Die Frau konnte sich in ein Lokal schleppen und um Hilfe bitten („Mein Mann hat mich gestochen!“), ehe sie zusammenbrach. „Es ist nur einem glücklichen Umstand zu verdanken, dass sie nicht in Form eines Verbrechens gestorben ist“, führte die Staatsanwältin beim Prozess aus.
Das (nicht rechtskräftige) Urteil des Schwurgerichts für den Mann ob seiner Tat: 15 Jahre Haft.
Gewaltschutzgipfel in Wien