"Reichsbürger"-Razzia dürfte erst der Anfang gewesen sein
Die Großrazzia gegen eine mutmaßliche Terrorgruppierung in der "Reichsbürger"-Szene dürfte noch einige Polizeieinsätze nach sich ziehen. Die Sicherheitsbehörden rechnen mit weiteren Beschuldigten und Durchsuchungen. 23 der 25 Festgenommenen seien inzwischen in Untersuchungshaft, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Donnerstag. Die beiden in Österreich und Italien festgenommenen Personen würden nach Deutschland überstellt.
Wann die beiden in Österreich und Italien gefassten Männer den Ermittlungsrichtern vorgeführt werden, vermochte die Sprecherin nicht zu sagen. Die Durchsuchungen würden fortgesetzt.
Die Behörde hatte am Mittwoch 25 Menschen festnehmen lassen. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Drei weitere Festgenommene gelten den Angaben zufolge als Unterstützer. Alle bis auf eine Russin haben den Angaben zufolge alle die deutsche Staatsbürgerschaft. Insgesamt gibt es 52 Beschuldigte.
An den Umsturzplänen waren nach Angaben des Generalbundesanwalts mindestens ein aktiver Bundeswehr-Soldat sowie zwei ehemalige Soldaten beteiligt. Zudem in Verdacht stehen der Adelige Heinrich XIII. Prinz Reuß als Kopf der Bande sowie die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, die Richterin in Berlin ist. Gegen sie läuft inzwischen ein Disziplinarverfahren. Der 71-jährige Reuß wurde an seinem Wohnort in Frankfurt am Main festgenommen, er ist Gutsherr eines Jagdschlosses im ost-thüringischen Bad Lobenstein, wo sich die Gruppe zu konspirativen Treffen versammelt haben soll. Geplant gewesen sein soll der Sturz der deutschen Regierung und dabei auch die Erstürmung des Bundestags.
Wie der Präsident des deutschen Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, am Mittwochabend im ZDF-"heute journal" sagte, seien bei rund 50 Objekten auch Waffen festgestellt worden. Den Obleuten des Innenausschusses des Bundestages war mitgeteilt worden, bei der Razzia seien zwei Langwaffen, eine Kurzwaffe sowie Schwerter- und Armbrüste, Schreckschuss- und Signalschusswaffen gefunden worden. Diese seien nur teilweise bei mutmaßlichen Mitgliedern der Gruppe gefunden worden, die eine waffenrechtliche Erlaubnis haben. Dem Vernehmen nach waren darunter auch Dienstwaffen.
Im ARD-"Morgenmagazin" sprach sich Münch für eine genauere Überprüfung von Sicherheitskräften aus: Man müsse sich darauf verlassen können, "dass alle uneingeschränkt hinter der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen". Ähnlich äußerte sich der Präsident des deutschen Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, in den ARD-"Tagesthemen". Alle Personen, die in die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern aufgenommen werden, sollten überprüft werden.
Thüringens Innenminister Georg Maier verwies darauf, dass die AfD in seinem Bundesland vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Er warf der rechtspopulistischen Partei vor, dass sie wie eine Schnittstelle für rechtsextreme Organisationen funktioniere. Der Chef der Thüringer AfD-Landtagsfraktion, Björn Höcke, gilt in der Partei als rechter Hardliner.
Die meist rechtsgerichteten Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an und verweigern die Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden. Die Bewegung gilt als sehr heterogen, auch im Lager der sogenannten Querdenker und Corona-Leugner sind sie zu finden. Im vergangenen Jahr zählte der deutsche Verfassungsschutz rund 21.000 Reichsbürger, davon 900 Rechtsextreme. Laut Innenministerium in Berlin wurden von 2016 bis 2021 etwa 1.500 Waffenscheine von Reichsbürgern eingezogen. Ähnliche Bewegungen gibt es in mehreren Ländern, in Österreich sind sie als "Staatsverweigerer" bekannt.