Starkoch in Kitzbühel festgenommen: Deutschland beantragt Auslieferung
Die Bundesanwaltschaft hat Auslieferungsverfahren gegen zwei im Zuge der „Reichsbürger“-Razzia in Tirol und Italien festgenommene Männer eingeleitet. Über in Kitzbühel festgenommenen Starkoch wurde inzwischen die Übergabehaft verhängt.
Berlin – Die deutsche Bundesanwaltschaft hat ein Auslieferungsverfahren gegen den am Mittwoch im Zuge der deutschen „Reichsbürger”-Razzia in Österreich festgenommenen Mann eingeleitet. Das bestätigte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Freitag auf Anfrage. Bei dem im Kitzbühel Festgenommenen handle es sich um einen deutschen Staatsbürger namens Frank H., hieß es. Ihm werde vorgeworfen, sich mutmaßlich als Mittäter einer terroristischen Vereinigung beteiligt zu haben.
Über den Mann wurde inzwischen die Übergabehaft verhängt, sagte der Sprecher der Innsbrucker Staatsanwaltschaft, Hansjörg Mayr. Ob der Verdächtige tatsächlich ausgeliefert wird, entscheide sich aber erst in zwei Wochen im Zuge der nächsten Haftprüfung, betonte der Sprecher. Dann werde über die Übergabe entschieden. Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe habe ein entsprechendes Ersuchen gestellt.
Laut übereinstimmenden Medienberichten soll es sich bei dem Festgenommenen um einen Starkoch aus München handeln, der außerdem Schwiegervater in spe von Fußball-Star David Alaba sein soll. Für den Mann, der Küchenchef eines Luxushotels in der Gamsstadt sein soll, gilt die Unschuldsvermutung. Er soll sich unter anderem mehrmals mit anderen Mitgliedern der Reichsbürger-Gruppierung getroffen und unbestätigten Meldungen zufolge Dinge wie Lebensmittel, ein Notstromaggregat und Küchenutensilien finanziert haben.
Durchsuchungen auch in Niederösterreich
Abgesehen von der Festnahme in Tirol fanden am Mittwoch im Raum Amstetten in Niederösterreich bei zwei weiteren Beschuldigten Durchsuchungen statt, wie der Sprecher der Bundesanwaltschaft erklärte. Ob es sich bei den Beschuldigten um deutsche oder österreichische Staatsbürger handelt, konnte er nicht sagen.
Wie die dpa am Freitag berichtete, läuft auch ein deutsches Auslieferungsverfahren für den im Zuge der Razzia in Italien festgenommenen Deutschen. Wann die beiden den Ermittlungsrichtern des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe vorgeführt werden können, stand am Freitag noch nicht fest.
Angeklagter wies vor Gericht in Italien Vorwürfe zurück
Ein in einem Hotel in Perugia festgenommener 64-jähriger Deutscher ist jedenfalls am Freitag vor einem Gericht in Italien erschienen. Dieses muss über den Antrag des zuständigen Generalstaatsanwalts auf Bestätigung der Festnahme durch die italienische Polizei entscheiden. Bei der Anhörung fühlte er sich italienischen Medienberichten zufolge unwohl, weswegen er von medizinischem Personal behandelt werden musste. Während der Anhörung wies der ehemalige Oberstleutnant einer deutschen Spezialeinheit die Vorwürfe zurück, wegen denen er am Mittwoch inhaftiert worden war.
Am Mittwoch wurden bei einem der größten Polizeieinsätze gegen Extremisten – auch in Österreich und Italien – 25 Menschen wegen Umsturzplänen festgenommen. Es gibt mittlerweile 54 Beschuldigte. 23 der 25 Festgenommenen seien inzwischen in Untersuchungshaft, erklärte gestern eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Die Generalbundesanwaltschaft wirft 22 der Verhafteten vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Drei weitere Festgenommene gelten als Unterstützer. Mit Ausnahme einer Russin haben alle Verdächtigen den Angaben nach die deutsche Staatsbürgerschaft.
Wollten Regierung stürzen
Schlag gegen die deutsche „Reichsbürger“-Szene: 25 Festnahmen, eine davon in Kitzbühel
Im Rahmen des Großeinsatzes mit rund 3000 Beamten in elf deutschen Bundesländern sowie in Österreich und Italien wurden laut dem Präsidenten des deutschen Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, mehr als 150 Durchsuchungen durchgeführt. Bei der Razzia wurden zwei Langwaffen, eine Kurzwaffe, Schwerter und Armbrüste sowie Schreckschuss- und Signalschusswaffen sichergestellt. Münch geht von weiteren Beschuldigten und Durchsuchungen in den nächsten Tagen aus. Im ARD-„Morgenmagazin“ sprach sich Münch für eine genauere Überprüfung von Sicherheitskräften aus.
📽️ Video | Gleitsmann (ORF) zur „Reichsbürger"-Razzia
Wochenlang liefen die Vorbereitungen für die Beweissicherung und Festnahme der mutmaßlichen Verschwörer. Beamte der Sicherheitsbehörden mehrerer Bundesländer wurden eingeweiht. Intern trug die Operation den Namen „Schatten“. Bei einigen der Verdächtigen soll es Überschneidungen mit der Szene der radikalen Gegner der Anti-Corona-Maßnahmen geben, beispielsweise in Pforzheim.
Namensliste bei mutmaßlichem „Reichsbürger" gibt Rätsel auf
Eine bei einem der Verdächtigen aus der „Reichsbürger"-Szene gefundene Liste mit Namen von Prominenten gibt den Ermittlern Rätsel auf. Aus Sicherheitskreisen hieß es am Freitag, zu welchem Zweck diese Liste erstellt worden sei, müsse noch aufgeklärt werden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur steht noch nicht fest, ob es sich dabei um eine sogenannte Feindesliste handelt.
Die taz berichtete, auf der Liste befänden sich unter anderem die Namen der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und von CDU-Chef Friedrich Merz. Auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sowie der CDU-Politiker Armin Laschet seien dort genannt, ebenso bekannte TV-Persönlichkeiten der öffentlich-rechtlichen Sender.
Dem Vernehmen nach war die Liste bereits im vergangenen April bei einer Hausdurchsuchung gefunden wurden. Sie soll bei einem Mann entdeckt worden sein, der zu den am Mittwoch Festgenommenen gehört.
Zum Kreis der Festgenommenen gehört auch ein Polizist, der bei „Querdenker“-Protesten aufgetreten war und sich gegen seine Entlassung aus dem Polizeidienst juristisch zur Wehr setzt. Einige der Beschuldigten kennen einander schon sehr lange. So hatten zwei der Festgenommenen in den Neunzigerjahren gemeinsam bei der Bundeswehr gedient, im Fallschirmjägerbataillon 251, das später teilweise im Kommando Spezialkräfte (KSK) aufging.
Die Großrazzia dürfte noch einige Polizeieinsätze nach sich ziehen. Die Sicherheitsbehörden rechnen mit weiteren Beschuldigten und Durchsuchungen, hieß es am Donnerstag. (TT, dpa, APA, Reuters)
Fragen und Antworten
„Reichsbürger“-Ideologie und Verschwörungsmythen: Das steckt dahinter
Scholz zu Festnahme von Ex-AfD-Abgeordneter: „Sehr schlimmer Vorfall"
Im Zusammenhang mit der Großrazzia in der Reichsbürger-Szene hat der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die mutmaßliche Beteiligung einer ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten mit scharfen Worten kommentiert. Dass unter den Beschuldigten eine ehemalige AfD-Abgeordnete des Bundestages sei, „ist natürlich ein sehr bemerkenswerter und sehr schlimmer Vorfall", sagte Scholz am Donnerstagabend. Jetzt wird überprüft, welche Sicherheitsvorkehrungen angepasst werden müssen.
Scholz bezog sich bei seinen Ausführungen nach den Beratungen mit den Länderchefs im Kanzleramt auf die Berliner Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, die im Zuge der am Mittwoch vollstreckten Razzia als Beschuldigte im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung festgenommen worden war.