Menschenrechtler aus Ukraine, Russland und Belarus mit Nobelpreis geehrt
Am heutigen Tag der Menschenrechte wurden die inzwischen aufgelöste Organisation Memorial aus Moskau, das Zentrum für bürgerliche Freiheiten (CCL) aus Kiew und der inhaftierte belarussische Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki mit dem weltweit wichtigsten politischen Preis geehrt.
Oslo – Menschenrechtler aus Russland, der Ukraine und Belarus sind am Samstag in Oslo mit dem diesjährigen Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Passenderweise am Tag der Menschenrechte wurden die inzwischen aufgelöste Organisation Memorial aus Moskau, das Zentrum für bürgerliche Freiheiten (CCL) aus Kiew und der inhaftierte belarussische Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki mit dem weltweit wichtigsten politischen Preis geehrt.
Die CCL-Vorsitzende Oleksandra Matwijtschuk und Memorial-Chef Jan Ratschinski konnten die Medaillen und Diplome im Rathaus von Oslo persönlich entgegennehmen. Bjalzaki, der seit eineinhalb Jahren im Gefängnis sitzt, wurde von seiner Frau Natalja Pintschuk vertreten. Die Preisträger sind bereits seit Anfang Oktober bekannt. Die Auszeichnungen gelten auch als Zeichen gegen das Vorgehen der Präsidenten aus Russland und Belarus, Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko.
Hoffnungen auf Solidarität der demokratischen Welt
Pintschuk sagte: „Ales und wir alle erkennen, wie wichtig und riskant es ist, die Mission von Menschenrechtsverteidigern zu erfüllen, besonders in der tragischen Zeit der russischen Aggression gegen die Ukraine." Abertausende Belarussen würden unterdrückt und zu Unrecht eingesperrt, Hunderttausende zudem in die Flucht getrieben, nur weil sie in einem demokratischen Staat leben wollten.
„In meinem Heimatland sitzt ganz Belarus in einem Gefängnis", sagte sie im Namen ihres Mannes. Die Auszeichnung gebe allen Belarussen die Hoffnung, auf die Solidarität der demokratischen Welt zählen zu können. Reiss-Andersen sagte in Richtung Bjaljazki: „Ales, du bist nicht allein. Wir stehen dir bei."
Die Ukrainerin Matwijtschuk betonte: „Frieden, Fortschritt und Menschenrechte sind untrennbar miteinander verbunden." Ein Staat, der Journalisten töte, Aktivisten einsperre und friedliche Demonstrationen auflöse, sei eine Bedrohung für den Frieden in der ganzen Welt. Zur Lage in ihrer Heimat sagte sie: „Die Menschen in der Ukraine wollen Frieden mehr als alles andere auf der Welt. Aber Frieden kann nicht erreicht werden, indem ein angegriffenes Land seine Waffen niederlegt. Das wäre nicht Frieden, sondern Besatzung."
Selenskyj würdigt Nobelpreisträgerin aus der Ukraine
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Verleihung des Friedensnobelpreises unter anderem an die Menschenrechtsorganisation seiner Landsfrau Olexandra Matwijtschuk als besonderes Ereignis gewürdigt. „In diesem Jahr wurde zum ersten Mal die Sprache der Ukraine, unsere ukrainische Sprache, bei der Zeremonie gehört – dank des Zentrums für bürgerliche Freiheiten und seiner Leiterin, Frau Matwijtschuk, die mit dem Friedenspreis ausgezeichnet wurde", sagte Selenskyj.
„Ich gratuliere Frau Olexandra, ihren Kollegen und allen ukrainischen Menschenrechtsverteidigern zu dieser Anerkennung", so der ukrainische Präsident am Samstagabend in seiner täglichen Videoansprache. Menschenrechtler aus Belarus, Russland und der Ukraine wurden am Samstag in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Neben dem ukrainischen Zentrum für bürgerliche Freiheiten (Center for Civil Liberties, CCL) wurden die aufgelöste russische Organisation Memorial und der inhaftierte belarussische Menschenrechtsanwalt Ales Bjaljazki mit dem wichtigsten politischen Preis der Erde geehrt.
Der Preis wurde am Internationalen Tag der Menschenrechte verliehen. Selenskyj nahm dies zum Anlass, diesen Tag auch für die Ukraine offiziell einzuführen. „In der Ukraine gab es bis zu diesem Jahr keinen nationalen Tag der Dankbarkeit und des Respekts für die Menschenrechtsbewegung – für all jene, die ihr Leben dem Schutz und der Wiederherstellung der Rechte der Menschen widmen", sagte er.
„Staatliche Grenzen können Zivilgesellschaften nicht trennen"
Der Russe Ratschinski sagte, die Auszeichnung habe große symbolische Bedeutung für Memorial. „Sie unterstreicht, dass staatliche Grenzen die Zivilgesellschaft nicht trennen können und sollten." Mit Blick auf den russischen Einmarsch in die Ukraine fragte er aber auch, ob Memorial den Preis wirklich verdiene. Seine Organisation habe eine Menge versucht und mehr als ein bisschen erreicht. „Aber hat unsere Arbeit die Katastrophe vom 24. Februar verhindert?" Während seiner Rede war die norwegische Kronprinzessin Mette-Marit den Tränen nahe.
Ausgezeichnet wurden die Preisträger für ihre langjährige Arbeit, Machthabende zu kritisieren und wesentliche Bürgerrechte zu verteidigen. Sie hätten sich außerordentlich darum bemüht, Kriegsverbrechen, Verstöße gegen Menschenrechte und Missbrauch von Macht zu dokumentieren, so die Jury. „Gemeinsam demonstrieren sie die Bedeutung der Zivilgesellschaft für Frieden und Demokratie." Die Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen, bezeichnete die drei als „Champions des Friedens".
Die Preise gehen auf den Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896) zurück. Sie werden an dessen Todestag, dem 10. Dezember, überreicht – der Friedensnobelpreis in Oslo, alle anderen in Stockholm. Die Auszeichnung ist in diesem Jahr mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 920 000 Euro) dotiert. (APA/dpa)