Krieg in der Ukraine

Kämpfe um Bachmut und Awdijiwka dauern an, Scholz: Nach dem Krieg wieder Kooperation mit Russland

Ukrainische Soldaten in der Region Donezk.
© IMAGO/Celestino Arce Lavin

Kiew (Kyjiw)/Moskau – Die schweren Kämpfe um die Ortschaften Bachmut und Awdijiwka im Donbass im Osten der Ukraine dauern nach Anhaben aus Kiew an. Dort seien mehrere Vorstöße russischer Truppen abgewehrt worden, teilte der ukrainische Generalstab am Montagabend in Kiew mit. Aus Cherson im Süden der Ukraine wurden mehrere Angriffe aus russischen Mehrfachraketenwerfern gemeldet. Dort habe es Tote und Verletzte gegeben, hieß es.

Bei mehreren Angriffen der ukrainischen Luftstreitkräfte und der Rohr- und Raketenartillerie seien russische Truppen und auch Panzerfahrzeuge ins Visier genommen worden. Allerdings machten die Militärs in Kiew keine näheren Ortsangaben.

Bei den russischen Vorstößen im Osten des Landes habe es sich um Angriffe auf vier Siedlungen in der Region Donezk und acht in Luhansk gehandelt, erklärte der Generalstab. Russland setze an der Front Raketen, Drohnen und Artillerie ein. Die Angaben konnten von unabhängiger Seite nicht überprüft werden. Die beiden Regionen gehören zu insgesamt vier, die die Regierung in Moskau zu russischem Staatsgebiet erklärt hat.

Berichte über neue Angriffe in der Nacht auf das ukrainische Energienetz lagen zunächst nicht vor. Nach den Angriffen vom Wochenende nahm der Hafen von Odessa am Montag wieder den Betrieb auf. Der nationale Energiekonzern Ukrenergo erklärte, etwa 1,5 Millionen Menschen würden nun Stück für Stück wieder ans Netz angeschlossen. Die Verwaltung der Region Kiew berichtete von 14 Siedlungen, in denen der Strom noch komplett ausgefallen sei, in 37 weiteren sei die Versorgung eingeschränkt. Der für Notfallhilfe zuständige UNO-Untergeneralsekretär Martin Griffiths kam in der Ukraine an, um sich ein Bild von „den neuen Herausforderungen angesichts der zunehmenden Schäden an der Infrastruktur" zu machen, wie sein Büro mitteilte.

📽️​ Video | ZiB-Korrespondent Wehrschütz über die Situation in Odessa:

Die Regierung in Moskau bezeichnet den seit fast zehn Monaten anhaltenden Krieg im Nachbarland als militärischen Sondereinsatz mit dem Ziel, es zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. In den vergangenen Wochen hat Russland dabei gezielt die zivile Infrastruktur der Ukraine ins Visier genommen, wo die Temperaturen inzwischen unter dem Gefrierpunkt liegen. Die Außenminister der Europäischen Union einigten sich am Montag auf die Aufstockung eines gemeinsamen Fonds für Militärhilfe für die Regierung in Kiew um weitere zwei Milliarden Euro.

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Selenskyj träumt von Bier am Strand und Kriegsende

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat von seinen Pläne für die Zeit nach dem Krieg mit Russland erzählt. „Ich will einfach ans Meer und mal ein Bier trinken", sagte der 44-Jährige gemäß ukrainischen Medien in einem im Voraus veröffentlichten Interview mit dem US-amerikanischen Show-Moderator David Letterman. Das werde jedoch erst nach dem Sieg der Ukraine möglich sein. „Bis zu unserem Sieg werde ich aber Präsident sein", sagte der 2019 gewählte Staatschef.

📽️​ Trailer | David Letterman interviewt Wolodymyr Selenskyj:

Gleichzeitig hält Selenskyj ein schnelles Kriegsende für möglich, sollte der russische Präsident Wladimir Putin plötzlich sterben. Autoritäre Regime seien auf eine Person zugeschnitten. „Wenn dieser Mensch geht, dann stehen die Institutionen still. Eine solche Zeit war in der Sowjetunion. Alles blieb stehen", behauptete Selenskyj. Russland wäre beim Tod des 70-jährigen Putin zuerst einmal mit sich selbst beschäftigt.

Selenskyj glaubt demnach auch nicht, dass Putin Atomwaffen einsetzen könnte. „Ihm ist klar, dass, wenn er sie einsetzt, das für ihn persönlich Konsequenzen haben würde", unterstrich der Ukrainer. Putin liebe das Leben zu sehr, als dass er diesen Schritt wagen würde. Russland ist Ende Februar in die Ukraine einmarschiert. Moskau kontrolliert nach militärischen Rückschlägen weiter gut 18 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets.

Teile Odessas waren am Montag nach wie vor ohne Strom.
© OLEKSANDR GIMANOV

Von Selenskyj geträumt: Mann in Russland zu Geldstrafe verurteilt

In Russland wiederum ist ein Mann in Russland zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er öffentlich von einem Traum über den ukrainischen Präsidenten Selenskyj berichtet hat. Iwan Lossew aus dem sibirischen Tschita sei der „Diskreditierung" von Russlands Armee für schuldig befunden worden und müsse deshalb nun 30.000 Rubel (rund 450 Euro) zahlen, berichteten russische Medien am Montag unter Berufung auf das zuständige Gericht.

Ermittelt worden war gegen Lossew wegen verschiedener Beiträge im sozialen Netzwerk Instagram – darunter einem, in dem er schildert, wie ihm im Schlaf Selenskyj erschienen sei.

Ich kann mir das nicht vorstellen: Irgendein 40-jähriger Geheimdienstler hat da mit ernstem Gesicht gesessen und meine Story darüber abgeschrieben, wie mir im Traum Selenskyj erschienen ist?!
Iwan Lossew

Er habe geträumt, im Zuge der von Kremlchef Wladimir Putin angeordneten Mobilmachung für die Front in der Ukraine eingezogen und in ein Ausbildungs-Camp gebracht worden zu sein, schrieb der Mann. Weiter schildert er den Inhalt seines Traumes so: „In diesem Moment kommt Selenskyj an mir vorbei und sagt: 'Oh, ich habe deine Instagram-Storys gesehen. Ruhm der Ukraine!' Und ich antworte: 'Ruhm den Helden!'"

Dass er wegen dieser Zeilen verurteilt wurde, habe ihn selbst fassungslos gemacht, sagte Lossew dem Internetportal Sibir.Realii in einem Interview: „Ich kann mir das nicht vorstellen: Irgendein 40-jähriger Geheimdienstler hat da mit ernstem Gesicht gesessen und meine Story darüber abgeschrieben, wie mir im Traum Selenskyj erschienen ist?!" An der Gerichtsverhandlung gegen ihn konnte der Mann eigenen Angaben zufolge dann selbst gar nicht teilnehmen – weil er nicht rechtzeitig über den Prozessbeginn informiert worden sei. (TT.com/APA/dpa/Reuters)

Scholz: Nach dem Krieg wieder Kooperation mit Russland

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Wirtschaft auf weitere Sanktionen gegen Russland eingeschworen, aber dem Land auch eine Kooperation nach dem Ende des Krieges gegen die Ukraine in Aussicht gestellt. Es sei wichtig, dass die Wirtschaft schon bei der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 die Sanktionen mitgetragen habe, sagte Scholz am Montagabend in Berlin vor dem Ostausschuss der deutschen Wirtschaft.

„Gegenwärtig werden die Beziehungen, die wir haben, zurückgefahren, zurückgefahren, zurückgefahren. Jetzt verschärfen wir die Sanktionen. Das muss jeder wissen", betonte Scholz, der sich bereits mehrfach gegen einen russischen Diktatfrieden für die Ukraine ausgesprochen und den sofortigen Abzug der russischen Truppen gefordert hatte.

„Aber ein Russland, das den Krieg beendet ... braucht auch die Chance, dass in anderen Zeiten wieder möglich ist, ökonomische Kooperation zu beginnen: Nur ist das nicht jetzt", sagte Scholz. Nach dem Krieg werde Russland aber das größte Land auf dem europäischen Kontinent bleiben. „Deshalb ist ganz zentral, dass wir für diese Zeit Vorbereitung treffen." Russlands Präsident Wladimir Putin habe nicht nur viele Orten in der Ukraine und sehr viele Menschenleben für seine imperialen Träume zerstört. „Eigentlich zerstört er auch die Zukunft Russlands", sagte Scholz. „Und das ist das, was er gegenüber seinem eigenen Land und seinem eigenen Volk rechtfertigen muss."

Scholz betonte erneut, dass er keine Entwicklung zu einer bipolaren Welt mit den Zentren USA und China erwarte. „Die Welt im 21. Jahrhundert wird nicht wieder in wenige Machtzentren zerfallen, schon gar nicht zwei", sagte er. Deutschland müsse und könne sich breiter aufstellen und seine Kontakte diversifizieren. „Die Welt ist voller neuer potenzieller Partnerländer", sagte er. Diversifizierung sei nicht nur betriebswirtschaftlich richtig für die Firmen, sondern auch sicherheitspolitisch für Deutschland. Genau dies werde auch in der nationalen Sicherheitsstrategie stehen, die die Bundesregierung verabschieden wolle. Er verwies darauf, wie wichtig die osteuropäischen Länder für die deutsche Wirtschaft auch im Vergleich mit den USA oder China mittlerweile geworden seien.

In einem Videocall der G7-Staats- und Regierungschefs und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj war zuvor über die weitere Hilfe für die Ukraine gesprochen worden. Man sei sich einig gewesen, dass man der Ukraine weiter helfe solange dies im Kampf gegen Russland nötig sei, betonte Scholz. Die Staaten stünden nach wie vor fest an der Seite der Ukraine. Man werde die Ukraine unterstützen „solange, wie es nötig ist". Gleichzeitig halte man den wirtschaftlichen Druck auf Russland hoch. Der Wiederaufbau des von Russland immer weiter bombardierten Landes sei aber eine „Menschheitsaufgabe".