Charlotte Wells’ Regiedebüt

„Aftersun" im Leokino: Ein Sommer wie damals

Sophie (Frankie Corio) und ihr junger Vater Calum (Paul Mescal) beim gemeinsamen Urlaub in der Türkei.
© Stadtkino

Charlotte Wells’ Regiedebüt „Aftersun“ ist ein zärtlich-melancholischer Erinnerungsfilm über einen Vater-Tochter-Urlaub und einer der Filme des Jahres.

Innsbruck – „Aftersun“ ist ein filmischer Film – eine Leinwanderfahrung, die ihre Geschichte primär mit Stimmungen und Bildern erzählt. Das birgt die Gefahr, in kopftlastige, experimentelle Selbstgefälligkeit zu verfallen und auf das Narrative zu vergessen. Regisseurin Charlotte Wells erzählt in ihrem Debütfilm jedoch mit erstaunlicher Leichtigkeit und wunderbar unprätentiös. Der Film wurde unter anderem von Regisseur Barry Jenkins („Moonlight“) mitproduziert, feierte seine Premiere bei der Woche der Kritik in Cannes mit einem Jury-Preis und gewann gleich sieben British Independent Film Awards.

Die kleine Geschichte kreist um die 11-jährige Sophie und den 30-jährigen Calum. Die beiden stammen, wie unschwer zu erkennen, aus Schottland und machen Urlaub in der Türkei. Von den anderen Hotelgästen werden sie für Bruder und Schwester gehalten. Doch trotz freundschaftlichen Umgangs ist Calum Sophies junger Vater. Sie lebt bei der Mutter. Der gemeinsame Urlaub gibt den beiden die Chance zur Wiederannäherung.

Dabei ist einerseits der sanfte Druck spürbar, eine gute Zeit haben zu müssen. Andererseits lebt die enge Verbindung zwischen Vater und Tochter wieder auf, die nur durch kleine Momente der Erziehungsautorität durchbrochen wird. Sophie ist schon durchaus erwachsen in ihrer Ruhe und doch gerade erst an der Schwelle zum Teenager. Zurückhaltend, aber doch neugierig sucht sie Kontakt zu den älteren Jugendlichen im Hotel.

Die Chemie der beiden Darstellenden Paul Mescal und Frankie Corio funktioniert perfekt, in den Dissonanzen, aber vor allem in der verspielten Vertrautheit. Mescal, dessen Rolle von einer unklaren Traurigkeit durchzogen ist, bringt es auf den Punkt: „Das Zentrum des Films fühlt sich für mich warm an, aber an den Rändern ist es ein bisschen komplizierter.“ Als ein Mediator zwischen Vater und Tochter dient auch eine typische Urlauber-Videokamera, die zusammen mit dem Hotelfernseher auf die 1990er-Jahre schließen lässt.

„Aftersun“ ist, wie der Name nahelegt, ein sonniger Erinnerungsfilm. Die zeitliche Distanz ermöglicht eine kitschfreie Zärtlichkeit, ist aber auch von tiefer Melancholie durchzogen. Das Glück dieses Urlaubsmoments in der Kindheit ist vorbei, auch wenn nur unklare Andeutungen auf ihr Ende hinweisen. Das erzeugt eine positive Stimmung, die indirekt über die Vergänglichkeit gebrochen wird. Das lässt den Film zu einer Archäologie subjektiver Erinnerung werden, durch kurze Blitzlicht-Bilder der erwachsenen Sophie gefasst, aber nicht überbetont.

Die kontrastreiche warme Farbgebung der auf 35-mm-Film gedrehten Urlaubsbilder von Kameramann Greg Oke entspricht der retrospektiven Polaroid-Stimmung. Charlotte Wells komponiert ihre „emotional autobiografische“ Geschichte zu einem intensiven Erlebnis und einem der besten Filme des zu Ende gehenden Jahres.

Aftersun ist im Leokino zu sehen, zum Filmstart heute Donnerstag (20 Uhr) mit der Liveübertragung eines Q&As mit Regisseurin Wells.

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