Massive russische Attacken in mehreren Regionen der Ukraine: Kiew kontert
Russland nimmt erneut Energieinfrastruktur ins Visier. Laut der russischen Nachrichtenagentur TASS gab es Tote bei einem ukrainischen Raketenangriff auf Luhansk.
Kiew, Moskau – Russland hat am Freitag zahlreiche Regionen der Ukraine mit den schwersten Raketenangriffen seit Wochen überzogen. In weiten Teilen des Landes herrschte Luftalarm. Auch in der Hauptstadt Kiew gab es nach dem Einsatz der Flugabwehr Berichte über Explosionen. Am Abend konterte Kiew, bei mehrfachem Beschuss der russisch kontrollierten Region Donezk im Osten seien mindestens ein Mensch getötet und fünf weitere verletzt worden, berichtete die russische Staatsagentur TASS.
Die Opfer seien alle Zivilisten gewesen, hieß es. Die Region im Donbass sei mindestens viermal aus ukrainischen Mehrfachraketenwerfern beschossen worden, meldete TASS unter Berufung auf die örtlichen Behörden weiter.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko bestätigte die russischen Attacken im Nachrichtendienst Telegram und rief die Menschen auf, Schutz zu suchen. Die Metro in der Hauptstadt stellte den Verkehr ein, sie diente als Bunker. In Kiew fielen Licht, Wasser und Heizung aus, wie ein dpa-Reporter aus der Drei-Millionen-Metropole berichtete. Medien sprachen von etwa 70 Raketenangriffen auf die Ukraine.
Papst: "Krieg ist Niederlage für die ganze Menschheit"
Papst Franziskus betrachtet Krieg als "Niederlage" für die ganze Menschheit. In seiner Friedensbotschaft zum 1. Jänner 2023, die der Vatikan am Freitag veröffentlichte, bezeichnete der Pontifex den Ukraine-Konflikt als "schreckliches Unglück" für die Welt, das von "schuldhaften menschlichen Entscheidungen" gesteuert sei.
"Der Krieg in der Ukraine rafft unschuldige Opfer hinweg und verbreitet Unsicherheit, nicht nur für die direkt Betroffenen, sondern in diffuser und unterschiedsloser Weise für alle, auch für diejenigen, die Tausende von Kilometern entfernt unter seinen Nebenwirkungen leiden - man denke bloß an die Getreidelieferungen und an die Kraftstoffpreise", so der Papst.
Zahlreiche Regionen meldeten Raketenbeschuss, darunter Saporischschja, Mykolajiw, Winnyzja, Poltawa, Dnipropetrowsk und Charkiw. Demnach nahm Russland erneut besonders die Energieinfrastruktur ins Visier. In der südostukrainischen Industriestadt Krywyj Rih wurden den Behörden zufolge zwei Menschen infolge der Raketenangriffe getötet und fünf verletzt, als ein Haus getroffen wurde. Zahlreiche Gebiete meldeten Stromausfälle.
Die Präsidialverwaltung in Kiew teilte mit, dass landesweit auf Notversorgung im Energiebereich umgestellt werde. Sie rief die Menschen, die oft in Kälte und Dunkelheit sitzen, wegen der seit Wochen laufenden Angriffe, zu Verständnis auf. Es gebe Schutz- und Wärmestellen im Land, wohin sie kommen könnten. Notfalldienste würden zudem daran arbeiten, die getroffenen und beschädigten Energieanlagen zu reparieren.
📽 Video | „Russland überzieht Ukraine mit Angriffen“
EU-Außenbeauftragter Josep Borrell bezeichnete Freitagabend die massiven Raketenangriffe Russlands als barbarische Kriegsverbrechen. "Diese grausamen, menschenverachtenden Angriffe zielen darauf ab, das menschliche Leid zu erhöhen." Der Bevölkerung, aber auch Krankenhäuser, Rettungsdienste und andere unverzichtbare Dienste sollten durch sie die Versorgung mit Elektrizität, Wärme und Wasser verlieren. "Diese Bombardierungen stellen Kriegsverbrechen dar und sind barbarisch", so Borrell. Der Ukraine sicherte der EU-Chefdiplomat weitere Unterstützung zu.
Putin trifft Lukaschenko in Minsk
Russlands Präsident Wladimir Putin wird am Montag bei seinem ersten Besuch in Belarus seit Jahren Machthaber Alexander Lukaschenko in Minsk treffen. Gesprochen werden solle über die strategische Partnerschaft der beiden Länder, die einen Unionsstaat bilden, sowie über regionale und internationalen Fragen, teilte der Kreml am Freitag in Moskau mit. Die Visite wird als Arbeitsbesuch eingestuft. An der Reise sollen auch mehrere Mitglieder der russischen Regierung teilnehmen.
Zunächst sind nach Angaben aus Minsk Verhandlungen in größerer Runde geplant, ehe sich Putin und Lukaschenko dann zu Einzelgesprächen zurückziehen. Belarus ist wirtschaftlich von Russland abhängig, Lukaschenko lebt von Putins Krediten. Zudem haben vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine beide Ex-Sowjetrepubliken ihre militärische Zusammenarbeit deutlich ausgebaut. Belarus stellt etwa seine Militärbasen für Angriffe auf die Ukraine zur Verfügung.
📽 Video | „Wehrschütz (ORF) über Infrastruktur der Ukraine“
Putin und Lukaschenko treffen sich regelmäßig. Zuletzt besuchte der vom Kreml abhängige Machthaber Ende September Putin in Sotschi. Der Kremlchef selbst war das letzte Mal 2019 in Minsk - noch bevor Lukaschenko sich bei der von der EU nicht anerkannten Präsidentenwahl 2020 zum Sieger erklären und die anschließenden Proteste blutig niederschlagen ließ. Beide Länder sehen sich unter wachsendem Druck der Sanktionen des Westens. (APA/dpa/Reuters)