585 PS im Test

Kia EV6 GT: Energiegeladene Elektronenschleuder

Dynamischer Look: 21-Zöller finden in den Radhäusern Platz, auffällig sind beim EV6 GT unter anderem gelbe Bremssättel, abgedunkelte Seitenscheiben hinten, ein Dachspoiler und versenkte Türgriffe.
© Höscheler

Er ist rasend schnell auf hundert, legt dennoch Wert auf einen leisen Antritt: Der EV6 GT von Kia verlässt sich auf die Schubkraft von zwei Elektromotoren, die zusammen 585 PS leisten.

Mittersill – Die Bedenken waren wieder einmal da – nicht wegen der 585 PS und der 740 Newtonmeter Drehmoment, da dies Werte sind, denen wir eine hohe Anziehungskraft zuschreiben. Nein, ein anderer dreistelliger Betrag bereitete Kopfzerbrechen, die Zahl war 312. Damit gab das üppig illuminierte digitale Instrumentarium die Reichweite an, gemessen leider in Kilometern anstelle von Seemeilen – und das bei vollem 77,4-kWh-Akku. Unser Vorhaben allerdings umfasste eine Fahrt von fast 400 Kilometern, Innsbruck via Brixen und Bruneck nach Lienz und zurück über den Felbertauern und Pass Thurn – eventuell mit einem kleinen Ausritt in einem Seitental des Pustertals. Wie steht es um die Ladesäulendichte, gerade in Osttirol? Tatsächlich zeigten einschlägige Karten im Internet zahlreiche Lademöglichkeiten an, vor allem in der Bezirkshauptstadt.

Na, dann: Augen auf und los. Unglaublich leise und kaum glaublich stark schieben die beiden E-Motoren den 2,2-Tonner in den Steigungen der Brennerautobahn an – und weniger empfindlich als befürchtet reagiert der Reichweitenmesser auf den erhöhten Energiebedarf. Zumindest wird rasch klar, dass wir es mit dem EV6 GT an einem Stück nach Lienz schaffen, selbst wenn auf der kurvenreichen Landstraße im Pustertal doch das eine oder andere Überholmanöver dank des souveränen Antritts des EV6 GT (von null auf 100 km/h in 3,5 Sekunden, theoretische Höchstgeschwindigkeit: 260 km/h) lockt und verschneite Streckenabschnitte die Allradtechnik herausfordern. Sitz- und Lenkheizung werden zwecks Komfort bemüht, dazu das Infotainmentsystem mit erhöhter Lautstärke; wenn schon die E-Motoren nicht für entsprechenden Sound sorgen, dann darf diesen Part das Meridian-System übernehmen, angeheizt vom Filmmusikkomponisten Ludwig Göransson, der metallische Klänge, entlehnt aus dem Science-Fiction-Streifen „Tenet“, passenderweise im futuristisch gezeichneten EV6 GT zum Besten gibt.

Immerhin: In Lienz angekommen, kann der Akku noch einen Ladezustand von 48 Prozent vorzeigen, eine Reichweite von rund 130 Kilometern wird in Aussicht gestellt. Das reicht nicht ganz für die Rückkehr nach Innsbruck, es bedarf einer Schnellladesäule im Zentrum von Lienz, die glücklicherweise frei ist und innerhalb von 45 Minuten das Speicherniveau auf 94 Prozent hebt. Zurück geht es flott gefahren Richtung Mittersill, unterbrochen von einer kurzen Drift-Einheit auf einer einsamen, schneebedeckten Fläche, leicht gemacht durch GT- und MyDrive-Lenkradtasten, die den EV6 GT für solche Fahrsituationen speziell konfigurieren.

Der EV6 GT vereint attraktive Formensprache mit Supersportwagentalenten und einer guten Portion Allradtauglichkeit, beschränkt auf eine Reichweite von etwas mehr als 300 Kilometern. Zwei wichtige Aspekte verdienen noch Beachtung: der Preis von 75.990 Euro und die aktuelle Lieferdauer von gut 24 Monaten.

🛠 Die Technik

Motor: zwei Elektromotoren

Kapazität des Akkus: 77,4 kWh

Drehmoment: 740 Nm

Leistung: 430 kW/585 PS

L/B/H: 4695/1890/1545 mm

Gewicht: 2185/2610 kg

Kofferraumvolumen: 480–1260 l

Radstand: 2900 mm

Höchstgeschwindigkeit: 260 km/h

0–100 km/h: 3,5 Sekunden

Verbrauch: 24 kWh/100 Kilometer

Kraftübertragung: Allrad

Preis: 75.990 Euro

Reichweite: 312 km