Krieg in der Ukraine

Nächtlicher Drohnenangriff auf Kiew, Briten warnen vor voreiligem Waffenstillstand

Zerstörte Gebäude in der Ukraine.
© IMAGO/ZUMA Wire

Das russische Militär wendet seit einigen Wochen eine neue Taktik an und greift gezielt das energetische Versorgungsnetz der Ukraine mit Raketen und Marschflugkörpern an. Als Folge bricht in der Ukraine die Versorgung mit Strom, Wasser und Fernwärme immer wieder zusammen.

Kiew (Kyjiw)/Moskau – Die ukrainische Hauptstadt Kiew und ihr Umland sind nach Behördenangaben in der Nacht auf Montag von Russland mit Kampfdrohnen iranischer Bauart angegriffen worden. Dabei seien erneut Objekte der kritischen Infrastruktur beschädigt worden, teilte Bürgermeister Vitali Klitschko auf Telegram mit. Energietechniker bemühten sich, die Versorgung mit Strom und Heizung zu stabilisieren. In einigen Stadtteilen wurde der Strom notfallmäßig abgeschaltet.

Über der Stadt waren nach Berichten von Einwohnern nachts das typische Fluggeräusch der Drohnen sowie das Feuer der Flugabwehr zu hören. Niemand in Kiew sei verletzt worden, schrieb Klitschko. Aus dem Umland meldeten die ukrainischen Behörden zwei Verletzte. Es seien Infrastrukturobjekte und Privathäuser beschädigt worden.

Nach Militärangaben wurde allein Kiew von mehr als 20 Kampfdrohnen iranischer Bauart angegriffen. Etwa 15 davon habe die Flugabwehr abgeschossen. Weitere zehn Drohnen seien im Süden der Ukraine abgefangen worden. Die russische Armee hatte nach ukrainischen Geheimdienstangaben zuletzt eine neue Lieferung von Drohnen iranischer Bauart bekommen.

In Kiew heulten fast die ganze Nacht die Luftschutzsirenen. In der Früh wurde der Luftalarm aufgehoben. Erst am Freitag hatte eine schwere russische Angriffswelle zu massiven Ausfällen bei der Strom-, Wärme- und Wasserversorgung in der Ukraine geführt.

Russische Streitkräfte werden nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax in Belarus mit taktischen Militär-Übungen beginnen. "Die endgültige Bewertung der Kampffähigkeit und der Kampfbereitschaft der Einheiten wird vom Kommando in der letzten Phase der Koordinierung - nach Durchführung der taktischen Bataillonsübungen - vorgenommen", berichtete Interfax unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium. Es war nicht sofort klar, wann und wo in Belarus die Übungen durchgeführt werden. Das belarussische Verteidigungsministerium hatte im Oktober erklärt, dass 9000 russische Soldaten als Teil einer "regionalen Zusammenlegung" von Streitkräften zum Schutz der Grenzen in das Land verlegt würden.

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Großbritannien will weiter Waffen liefern

Großbritannien will der von Russland angegriffenen Ukraine auch im kommenden Jahr kontinuierlich Rüstungsgüter liefern. Man werde im Laufe des Jahres mehrere Hunderttausend Schuss Artilleriemunition im Wert von rund 250 Millionen Pfund (rund 286 Mio. Euro) liefern, kündigte die britische Regierung am Sonntagabend an. Damit solle eine kontinuierliche Versorgung der Ukraine sichergestellt werden.

Bisher hat Großbritannien nach eigenen Angaben der Ukraine seit Beginn des Krieges mehr als 100.000 Schuss Artilleriemunition sowie mehrere Raketensysteme und kürzlich 125 Flugabwehrgeschütze geliefert. Die Briten sehen sich damit als führend in Europa an.

Premierminister Rishi Sunak wollte am Montag zum Treffen der als Joint Expeditionary Force (JEF) bezeichneten Verteidigungskooperation ins lettische Riga reisen und sich dort mit seinen skandinavischen und baltischen Amtskollegen austauschen. "Um Frieden zu erreichen, müssen wir Aggressionen abwehren", sagte Sunak einer Mitteilung zufolge. Kooperationen wie diese sei entscheidend, um im Ernstfall auf schwere Bedrohungen reagieren zu können.

Einem BBC-Bericht zufolge, der sich auf Regierungsquellen beruft, soll Sunak einen Wasserstandsbericht zum Ukraine-Bericht beauftragt haben, der etwa untersuchen soll, wie aus Großbritannien gelieferte Waffen dort zum Einsatz kommen. In einigen Sicherheitskreisen soll es demnach die Befürchtung geben, Sunak könne als weniger entschlossener Verbündeter an der Seite der Ukraine stehen als seine Vorgänger. Insbesondere Ex-Premier Boris Johnson war in der Ukraine sehr beliebt und wurde vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gelobt.

Verhandlungen bedeutungslos ohne Abzug Russlands

Großbritanniens Premier Rishi Sunak warnte auch vor zu raschen Verhandlungen über einen Waffenstillstand. Sunak sagte, „dass jede einseitige Forderung Russlands nach einem Waffenstillstand im aktuellen Kontext völlig bedeutungslos" sei. Derartiges würde von Russland benutzt werden, um sich neu zu formieren, so Sunak am Montag.

Bevor Russland sich nicht zurückgezogen habe, könne und solle es keine echten Verhandlungen geben, so der britische Premier. Sunak rief bei dem Gipfel der Verteidigungskooperation baltischer und nordeuropäischer Staaten zu weiteren Waffenlieferungen an Kiew auf. Die Ukraine benötige Luftverteidigungssysteme, Artillerie und gepanzerte Fahrzeuge, sagte der britische Premier. Dafür warb auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der sich per Video an die Teilnehmer wandte und jeden einzeln davon mit konkreten Forderungen ansprach.

Großbritannien hatte vor Sunaks Reise nach Lettland angekündigt, der Ukraine auch im kommenden Jahr weitere Rüstungsgüter zu liefern. Der britische Premier betonte – wie auch der lettische Ministerpräsident und Gastgeber Krisjanis Karins – bei dem JEF-Treffen die Bedeutung von westlichen Sanktionen gegen Moskau und dessen Unterstützer. „Wir müssen uns weiterhin darauf konzentrieren, Russlands Fähigkeit zur Umgruppierung und Nachschubversorgung zu beeinträchtigen", sagte Sunak. „Ich denke insbesondere an den Iran und die Waffen, die er derzeit an Russland liefert."

Selenskyj verwies darauf, dass die Ukraine vergangene Nacht erneut mit iranischen Drohnen vom Typ Shahed angegriffen worden sei. Diese stammten aus einer neuen Lieferung, die Russland von Teheran erhalten haben, sagte der ukrainische Präsident laut offizieller Übersetzung. (APA/dpa/Reuters)

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