Kammerspiele

„Maledetto Modigliani“: Von der Straße gepflückte Musen

Extra viel Drama: Amedeo Modigliani (Martin Seget’a) und seine Geliebte Jeanne Hébuterne (Camilla Danesi) in „Maledetto Modigliani“.
© Gufler

Viele Low- und wenige Highlights: Amedeo Modiglianis Leben wird zur Vorlage für Lara Brandis Choreographie-Debüt „Maledetto Modigliani“.

Innsbruck – Ist Amedeo Modigliani (1884–1920) heute Schlagzeile, dann werden sich bei seinen liegenden Nackten die Rekordergebnisse bei Auktionen wieder überschlagen oder vermeintliche Modiglianis als echte Fälschungen entlarvt. Publikumsmagnet bleibt der Künstler aus Livorno trotzdem – nicht nur aufgrund der Frauen mit ihren überlangen Hälsen und den blinden Augen. Sein kurzes, aber heftiges Leben machte Modigliani zum Sinnbild des Bohemiens, eines Salonlöwen, der jeden Höhenflug stets nahe am Abgrund tanzt. Als Bühnenfigur macht ihn das interessant. 2023 soll (wieder) ein Film über den Maler und Bildhauer entstehen. Auf dem Regiesessel: Johnny Depp. Mehr muss man dazu wohl nicht wissen.

Innsbruck geht es in Sachen Modigliani bescheidener an. Für ihr Choreographiedebüt hat sich Lara Brandi, eine der längstdienenden Tänzerinnen der heimischen Tanzcompany, das Leben des Malers zur Grundlage für „Maledetto Modigliani“ genommen. Am Sonntag kam das Stück in den Kammerspielen zur Uraufführung. Mit energischem Applaus wurde es gefeiert. Vorschusslorbeeren gab es von Tanzchef und Publikumsliebling Enrique Gasa Valga, der Brandi als Nachwuchstalent vorstellte. Ganz ohne seinen Namen kommt das Stück aber nicht aus. Das Libretto entstand in Zusammenarbeit.

Einen gewissen Einfluss des „Maestro“ kann man in Brandis Choreographie durchaus erkennen, wenn man es darauf anlegt. Denn wirklich neu, überraschend anders ist ihre Produktion nicht. Brandi gibt, was Innsbruck mag: großes Drama und ordentlich Pathos, also bei Modigliani eine auf wenige High- und viele Lowlights zurechtgestutzte Künstlervita. „Frida Kahlo“, eine Produktion Gasa Valgas, in deren Wiederaufnahme 2018 Brandi die Titelrolle spielte, machte es vor. Im Paris der Jahrhundertwende laufen die ausschweifenden Salonpartys und das einsame Leiden im Atelier eben parallel.

Dieser magische Ort der Kunstproduktion steht dabei gar nicht so im Mittelpunkt, wie man es sich von einer Erzählung über einen Maler wünschen würde. Helfried Laukner (Bühne) verlegt ihn platzsparend in den ersten Stock. Von einer Staffelei, Farben oder gar Pinseln zwar keine Spur, aber sei’s drum. In „Maledetto Modigliani“ wird mit dem Körper gemalt.

Brandi versucht es zumindest in ihrer Choreographie, einem Mix aus klassischen und zeitgenössischen Elementen. Da ginge mehr – hätte man sich Modiglianis stilistische Eigenständigkeit zum Vorbild genommen. Martin Seget’a jedenfalls tanzt sich als Titelheld in rotem Samt (Kostüme: Andrea Kuprian) um Kopf und Kragen – präzise, aber farblos, wirklich anmutig ist Camilla Danesi, die als 19-jährige Jeanne Hébuterne den großen Auftritt im zweiten Akt hat. Vorher pflückt sich der Maler die Musen einfach von der Straße. Nur ein Aspekt des Künstlerlebens, das sich heute erst aus jahrzehntelanger Verklärung schält. Wie der Ambiguität begegnen?

Gar nicht. Das Stück fokussiert lieber auf die Szene, phantasiert von einer Konkurrenz zwischen Picasso (Marco Lo Presti) und Modigliani. Brandi zeichnet Picasso als strengen Kubisten, während Pierrot (Olivia Swintek)als Alter Ego des Malers unscharf bleibt. Mehr Platz für das Tragische! Schon mit 35 Jahren stirbt Modigliani verarmt in Paris. Ihm folgt kurz darauf Jeanne. Auch bei „Maledetto Modigliani“ hat die Liebe nie eine Chance – die eigene Handschrift der Choreographin nur teilweise. So eröffnet Brandi das Stück mit einem Gedicht von Tänzerkollegen Lo Presti, das im Probenprozess entstand. Why not? „Maledetto Modigliani“ ist sowieso ausverkauft. Weitere Zusatzvorstellungen sind nicht geplant.

Maledetto Modigliani. Kammerspiele. Bis 16. Dezember, nächster Termin: 22. Dezember.

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