Prozess gegen Seenotretter: Rom will als Nebenkläger dabei sein
Italienische Regierung will von 21 NGO-Aktivisten Entschädigung fordern. Die Gerichtsverhandlung wurde auf Jänner vertagt
Rom – Bei der Vorverhandlung gegen 21 NGO-Aktivisten im Rahmen einer 2017 eingeleiteten Untersuchung wegen Schlepperei, die im Mai in der sizilianischen Stadt Trapani begonnen hatte, hat das Innenministerium in Rom vor Gericht beantragt, als Nebenkläger am Prozess teilnehmen zu dürfen. Nach Ansicht der Regierung hat der italienische Staat einen erheblichen "wirtschaftlichen und moralischen Schaden" wegen des Verhaltens der Angeklagten erlitten.
Die Regierung will von den Angeklagten Schadenersatz verlangen, berichteten italienische Medien. Zu den Angeklagten zählen unter anderem vier Mitglieder des Rettungsschiffes "Iuventa" sowie Mitglieder der NGOS "Save the Children" und "Ärzte ohne Grenzen". Sie werden verdächtigt, 2016 und 2017 Migranten nicht gerettet, sondern sie in Absprache mit libyschen Schleppern an Bord der Schiffe genommen zu haben.
Die Ermittler sammelten E-Mails, Facebook- und WhatsApp-Nachrichten, die den Kontakt der NGO-Mitglieder zu libyschen Schleppern bezeugen sollen. Die Angeklagten streiten die Vorwürfe vehement ab, ihnen drohen bis zu 20 Jahren Gefängnis. Das NGO-Schiff befindet sich seit seiner Konfiszierung durch die italienischen Behörden im August 2017 im Hafen der sizilianischen Stadt Trapani.
Scharfe Kritik
Die ausdrückliche Absicht der italienischen Regierung, Schadenersatz von denjenigen zu verlangen, die bei der Rettung von Menschen in Seenot geholfen haben, wurde vom Iuventa-Crewmitglied Kathrin Schmidt scharf kritisiert. "Die Tatsache, dass die italienische Regierung offen behauptet, durch unsere Aktionen moralischen Schaden und Rufschädigung erlitten zu haben, ist beschämend", kommentierte Schmidt.
Die Richter in Trapani müssen nun den Antrag der Regierung prüfen und in den kommenden Anhörungen darüber entscheiden. Sie beschlossen, dass die Iuventa-Angeklagten in der Verhandlung zusätzliche sprachliche Unterstützung durch einen zusätzlichen Dolmetscher erhalten sollten, um "eine wirksame Teilnahme an der Verhandlung zu gewährleisten".
Der Anwalt der Angeklagten, Nicola Canestrini, begrüßte diesen Beschluss. Auch Amnesty Italien hält dies für eine "wichtige Entscheidung, da das Recht auf eine korrekte Übersetzung aller Teile der Verhöre eine der Grundlagen eines fairen Verfahrens ist". Die Anhörung wurde auf den 13. Jänner vertagt. (APA)