Hitze und Kälte belasten das Herz-Kreislauf-System
Sowohl heiße als auch kalte Temperaturen lösen im menschlichen Körper eine Stressreaktion aus und können zu Herz-Kreislauf-Problemen führen. Beide Faktoren wurden in wissenschaftlichen Studien untersucht. Die Ergebnisse seien vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen relevant, so die Forschenden.
Innsbruck – Arbeiten an Hitzetagen, aber auch ein kühler Luftzug auf nackter Haut lösen im menschlichen Körper Stressreaktionen aus und gefährden das Herz-Kreislauf-System, berichten ForscherInnen der Universität Innsbruck mit KollegInnen. Menschen mit Vorerkrankungen am Herzen und Gefäßsystem könnte dies schwerwiegende medizinische Probleme bescheren. Die Studien zu Hitze- und Kälteauswirkungen wurden in den Fachzeitschriften Scientific Reports und Experimental Physiology veröffentlicht.
Die Klimakrise führt zu häufigeren und stärkeren Hitzewellen, erklärt Justin Lawley vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck in einer Aussendung: "Die Energiekrise hat wiederum einen Anstieg der Energiekosten zur Folge und zwingt viele Haushalte dazu, ihre Wohnungen seltener oder gar nicht zu heizen". Die Menschen würden demnach vermehrt Hitze und Kälte ausgesetzt. In zwei Studien mit genau definierten Hitze- und Kältebelastungen untersuchte er mit KollegInnen deren Folgen auf das Herz-Kreislaufsystem des Menschen.
Hitzetage-Experiment mit Industriearbeitern
So verbrachten im "Hitzetage-Experiment", das von Igor Mekjavic vom Jozef Stefan Institut in Ljubljana (Slowenien) geleitet wurde, sieben männliche, gut 20 Jahre alte und gesundheitlich nicht vorbelastete Teilnehmer neun aufeinanderfolgende Tage in einer kontrollierten Laborumgebung am Olympischen Sport Zentrum Planica (Slowenien). Dabei wurden Tagesabläufe für Industriearbeiter simuliert. An den ersten drei Tagen herrschten normale Temperaturen von gut 25 Grad Celsius in den Arbeitsstätten, und 22 Grad im Pausenraum sowie Quartier. Es folgten drei Hitzewellentage mit mehr als 35 Grad im simulierten Job und 26 Grad während der Ruhezeiten, und daraufhin wieder drei normal temperierte Tage. "Während der gesamten Studie erledigten die Teilnehmer täglich Aufgaben, die eine typische Arbeitsbelastung in der Industrie simulierten", so Lawley: "Damit wollten wir den kardiovaskulären und thermoregulatorischen Stress bei Industriearbeitern ermitteln".
Die Forschenden beobachteten einen Anstieg der Körperkern- und Hauttemperaturen sowie eine Zunahme des Blutflusses in der Haut. Dieser schützt den Körper vor Überhitzung, diese Zusatzleistung belastet aber das Herz-Kreislaufsystem. Die Herzschlagrate stieg um durchschnittlich sechs Schläge pro Minute, die Herzleistung von 4,6 auf 5,5 Liter pro Minute. Die Reaktionen blieben teils nach den Hitzetage bestehen. Das deute auf eine anhaltende Wirkung hin, so Lawley: "Bei Personen mit kardiovaskulären Grunderkrankungen können diese Effekte zu Hitzeerkrankungen, Bewusstlosigkeit und möglicherweise sogar zum Tod durch Unfälle oder schwere medizinische Komplikationen führen".
Kältestudie mit Ventilatoren
Vierunddreißig Studierende (22 männlich und 12 weiblich) wurden wiederum in einer "Kältestudie" an der Universität Innsbruck via handelsüblicher Ventilatoren (die eine Windgeschwindigkeit von 14 Kilometern pro Stunde erzeugten) entweder am ganzen Körper oder nur am Gesicht mit zehn Grad Celsius kalter Luft angeblasen, bis ihre Hauttemperatur dort von den üblichen 32 auf 27 Grad Celsius abgesunken war.
Die Kälte im Gesicht oder am gesamten Körper führte bei den Probanden zu einem Blutdruck-Anstieg, weil die Blutgefäße der Haut sich reflexartig verengten (Vasokonstriktion). Dies ist eine Schutzreaktion des Körpers, weil dadurch weniger warmes Blut nahe der Körperoberfläche fließt, die Haut dadurch abgekühlt wird und weniger Wärme verloren geht. Beim Ganzkörper-Experiment gab es zusätzlich einen leichten Anstieg des Fließwiderstandes der Blutgefäße in der Skelettmuskulatur, so die ForscherInnen. Auch dies dient wahrscheinlich dazu, dass der Körper weniger Wärme verliert. Bei Kälte ändern sich Herzschlagrate und das Pumpvolumen nicht. Der höhere Blutgefäßwiderstand bewirkte dadurch den beobachteten Blutdruckanstieg.
"Es braucht also keine Minusgrade, um ernsthafte Reaktionen im Körper hervorzurufen", erklärte Lawley: Diese würde für viele Menschen, die ihre Häuser während der Energiekrise nicht heizen können, eine Gefahr darstellen. "Im Gegensatz zur Wahrnehmung vieler Menschen ist Kälte für den Körper noch gefährlicher als Wärme", so der Experte. Weil die Reaktionen auf Kälte im Gesicht ähnlich jenen am ganzen Körper sind, wäre nicht nur warme Kleidung am Rumpf, den Armen und Beinen wichtig, sondern auch Kälteschutz des Gesichtes selbst bei als mild empfundenen Temperaturen wie zehn Grad Celsius.