Selenskyj besucht Washington
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist zum Auftakt seiner ersten bekannten Auslandsreise seit Beginn des russischen Angriffskriegs in den USA eingetroffen. Der 44-Jährige wurde am Mittwochnachmittag (Ortszeit) von US-Präsident Joe Biden und dessen Ehefrau Jill vor dem Weißen Haus in der Hauptstadt Washington empfangen. Bereits vor dem Besuch hatten die USA die Lieferung eines Patriot-Flugabwehrsystems an die Ukraine bekanntgegeben.
Biden sagte der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland weitere Unterstützung zu. "Wir werden weiterhin die Fähigkeit der Ukraine stärken, sich selbst zu verteidigen, insbesondere die Luftverteidigung, und deshalb werden wir der Ukraine Patriot-Raketenbatterien bereitstellen", sagte er beim Besuch Selenskyjs im Oval Office in Washington. Seine Botschaft an den Gast: "Präsident Selenskyj, die Vereinigten Staaten stehen hinter den tapferen Menschen in der Ukraine."
Der ukrainische Präsident bedankte sich "aus ganzem Herzen" für die Unterstützung der USA. Die Ukraine sei auf dem Schlachtfeld in einer guten Situation "wegen Ihrer Unterstützung". Bei den Gesprächen mit Biden werde es unter anderem auch um die Energiekrise in seinem Land gehen.
Selenskyj schenkte seinem US-Kollegen zu Beginn eines Besuchs in Washington die Medaille eines Soldaten. "Ich möchte Ihnen etwas von einem Mann geben, der wirklich ein Held ist", sagte er an Biden gerichtet und gab ihm die Medaille. Der ukrainische Soldat habe Selenskyj gebeten, die Auszeichnung an den US-Staatschef weiterzugeben. "Er ist sehr mutig und er sagte, ich solle es an einen sehr mutigen Präsidenten weitergeben." Biden bedankte sich.
Selenskyj landete am Mittwoch auf dem Militärflughafen Joint Base Andrews unweit der US-Hauptstadt Washington mit einer amerikanischen Regierungsmaschine. Am Abend amerikanischer Zeit ist zudem eine Rede Selenskyjs vor dem Kongress geplant. Er hatte bereits im März eine Videoansprache vor dem US-Kongress gehalten. Damals forderte er die Einrichtung einer Flugverbotszone zum Schutz der Ukraine.
Die USA sind der wichtigste Verbündete im Abwehrkampf der Ukraine gegen die russische Invasion. Seit Beginn der Amtszeit von Präsident Biden im Jänner 2021 stellten die USA Militärhilfe für die Ukraine in Höhe von knapp 22 Milliarden US-Dollar bereit. Die US-Regierung hatte früh öffentlich vor einem Angriff Russlands auf die Ukraine gewarnt und sich dabei auf Geheimdienstinformationen berufen. Seit Beginn der Invasion haben die USA und ihre Verbündeten Russland mit harten Sanktionen belegt.
Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte am Mittwoch im US-Fernsehen, es werde bei dem Gespräch der beiden Präsidenten auch um die Friedensbemühungen der Ukraine gehen. "Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie über Selenskyjs Vorstellung von einem gerechten Frieden sprechen werden - und darüber, wie dieser aussehen könnte, was die Bestandteile dieses Friedens sind und wie wir der Ukraine dabei helfen können, diesen zu erreichen", sagte Kirby.
Offensichtlich sei aber auch, dass Russlands Präsident Wladimir Putin im Moment nicht an Diplomatie interessiert sei. "Ganz im Gegenteil. Er ist daran interessiert, noch mehr ukrainische Zivilisten zu töten und den Menschen das Licht und die Heizung abzudrehen, während der Winter naht." Die USA müssten also zunächst sicherstellen, dass die Ukraine diejenige Verteidigungshilfe bekomme, die sie benötige.
Als Teil eines neuen Militärhilfe-Pakets in Höhe von 1,85 Milliarden US-Dollar (rund 1,7 Milliarden Euro) wird die US-Regierung der Ukraine erstmals das Patriot-Flugabwehrsystem liefern, teilte das US-Außenministerium mit. Damit steigt die gesamte US-Militärhilfe für die Ukraine seit Beginn der Amtszeit von US-Präsident Biden demnach auf 21,9 Milliarden US-Dollar (rund 20,6 Milliarden Euro). "Wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie es nötig ist, damit Kiew sich weiterhin verteidigen kann und zu gegebener Zeit am Verhandlungstisch eine möglichst starke Position einnimmt", erklärte das Außenministerium.
In dem neuen Paket sind den Angaben nach neben dem Patriot-Flugabwehrsystem weitere Unterstützung für die Luftverteidigung sowie zusätzliche Munition und wichtige Ausrüstung enthalten. Das Luftverteidigungssystem Patriot kann Flugzeuge, Marschflugkörper, Drohnen und Raketen auch in größerer Entfernung abwehren. Es dürfte Russlands Angriffe mit Raketen und Drohnen auf die zivile Infrastruktur in der Ukraine erschweren.
Es ist die erste Auslandsreise Selenskyjs seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar. Der 44-Jährige hat seine bisherigen Auftritte vor ausländischem Publikum - etwa bei den G7 - stets per Videoschalte absolviert. Die Hauptstadt Kiew verließ der Präsident nur zu Reisen innerhalb des Landes, zuletzt war er am Dienstag in der schwer umkämpften Frontstadt Bachmut, um die Soldaten zu motivieren.
Das russische Präsidialamt kritisiert die Reise des ukrainischen Präsidenten Selenskyj nach Washington. Damit sehe er keine Möglichkeit für Verhandlungen mit der Ukraine, sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau. Die anhaltenden Waffenlieferungen des Westens führten dazu, dass sich der Konflikt "vertieft".
Es ist nun Selenskyjs zweiter Besuch im Weißen Haus seit dem Amtsantritt von Biden. Zuletzt hatte Biden seinen ukrainischen Kollegen Selenskyj im Sommer 2021 in Washington empfangen. Bidens Regierung hatte früh öffentlich vor einem Angriffs Russlands auf die Ukraine gewarnt und sich dabei auf Geheimdienstinformationen berufen. Seit dem Einmarsch in die Ukraine haben die USA und ihre Verbündeten Russland mit harten Sanktionen belegt.