Kinofilm „Eo": Vierbeiniger Held auf abenteuerlicher Odyssee
Jerzy Skolimowski schickt in „Eo“ einen Esel auf Reisen. Ein existentialistischer Film auf den Spuren von Robert Bresson.
Innsbruck – Keine Tiere, keine Kinder! Diese alte Weisheit der Filmbranche ignorieren Filmemacher immer wieder. Der polnische Regieveteran Jerzy Skolimowski wagt sich an einen etwas anderen Tierfilm. In seinem neuen Werk „Eo“ ist der Protagonist ein Esel. Kein störrischer, bockiger Klischee-Esel, sondern ein überaus netter. Und Skolimowski schickt ihn auf Abenteuer von Polen bis Italien. Die Hauptfigur wird von gleich sechs großartigen Eseln und Eselinnen mit großen schwarzen Augen gespielt, die alle im Abspann zu Ehren kommen: Hola, Tako, Marietta, Ettore, Rocco, Mela.
„Eo“ fügt sich ein in eine Reihe neuerer Filme, die den Blickwinkel der Tiere in den Vordergrund stellen. Die Beobachtungs-Dokus „Gunda“ und „Cow“ haben einen klar aktivistischen Charakter, während etwa im Nicolas-Cage-Spielfilm „Pig“ das Tier die Rolle des verlorenen besten Freundes einnimmt. Und im Jänner erzählt dann der Salzburger Adrian Goiginger die wahre Geschichte über den tierischen Begleiter seines Großvaters in „Der Fuchs“.
🎬 Trailer | „Eo"
Ähnlich ist es in „Eo“, wo dieser von seiner Freundin Kasandra (Sandra Drzymalska) getrennt wird; die beiden stehen in einem polnischen Wanderzirkus zusammen in der Manege, bis der Tierschutz interveniert. Vielleicht ist Eo für Kasandra auch nur eine Projektionsfläche, wie oft bei tierischer Liebe.
Damit beginnt für Eo eine Odyssee von wilden Fußball-Fans, die ihn zum Maskottchen machen, bis zum Tierarzt, der die Wunden versorgt, die ihm die Hooligans der gegnerischen Mannschaft zufügen. Immer wieder büxt er aus, entkommt einmal nur knapp dem Fleischwolf der Wurstfabrik und wird fast zum Mörder. Dann wieder lässt er sich von einem jungen, feschen Priester in seinen Kleinwagen laden und mit nach Italien mitnehmen. Dort trifft er dann immerhin auf eine wahre Adelige in Gestalt von Isabelle Huppert höchstpersönlich.
Oscar-Einsendung Polens
Der Film bleibt nahe an Eo, auch wenn der Esel manchmal als eine Art tierischer MacGuffin dient, um Geschichten zu erzählen, die um ihn herum passieren. Geschichten über die Menschen und über die unerträgliche Leichtigkeit und Unerträglichkeit des Seins ganz allgemein. Möglicherweise wohnt aber auch eine magische Kraft in ihm, die die Bösartigkeiten einiger Menschen bestraft und das Gute belohnt.
Dabei verliert sich Skolimowski aber nicht in einem langatmigen biblischen Gleichnis – trotz Priester. Eo trägt keinen Jesus oder dessen jungfräuliche Mama durch die Gegend, sondern sucht seinen eigenen Weg. Er – oder sie, das ist nicht ganz klar – muss sich in eigenen Abenteuern bewähren, die sich fast schon als actionreich ausnehmen, in kompakten 88 Filmminuten mit beeindruckenden Bildern von Michał Dymek. Dazwischen bleibt Zeit für ruhige Momente, in denen sich das Philosophische mit dem Filmischen in surrealen, traumartigen Szenen verbindet.
Skolimowskis Esel-Film ist als Hommage an den Robert-Bresson-Klassiker „Au Hasard Balthazar“ von 1966 gedacht. Er hat bei seiner Cannes-Premiere einen Jury-Preis gewonnen und ist die Oscar-Einsendung Polens.