Verschiedene Wege aus dem Weihnachtstief: Psychotherapeutin gibt Tipps
Ein detaillierter Tagesplan, ein Selbstschutzpaket und das Eingeständnis, traurig zu sein, sind Möglichkeiten, damit frohe Weihnachtstage kein unerfüllter Wunsch bleiben.
Alle Jahre wieder kommt für so manchen Menschen die bedrückendste Zeit des Jahres mit den Weihnachtsfeiertagen. Die Gründe dafür sind vielfältig: traurige bzw. tragische Erinnerungen, Einsamkeit, Krankheit oder schwierige Lebensumstände. „Das alljährliche Ritual mit den Erwartungshaltungen an das so genannte Fest der Liebe löst bei Betroffenen Stress aus. Es wird uns schließlich überall im Zusammenhang mit der idealen Familie verkauft, und das ist oft der Knackpunkt für Menschen, die das nicht haben. Defizite in Sachen Beziehungen werden in dieser Zeit deutlicher“, berichtet Psychotherapeutin Ines Gstrein.
Als negativer Gefühlsverstärker agiert unsere Umwelt. „Wir haben die dunkelste Jahreszeit. Unser Körper produziert dadurch mehr vom Schlafhormon Melatonin, der Serotoninspiegel sinkt und unser Antrieb nimmt ab“, erklärt die Vorsitzende des Tiroler Landesverbandes für Psychotherapie. Dass es an den Feiertagen selbst schlussendlich draußen sehr still wird in unserer mittlerweile lauten Welt, käme erschwerend hinzu: „Dies können Betroffene sogar als bedrohlich empfinden, weil sie das Gefühl haben, niemanden zu erreichen.“
Menschen, denen die Innsbrucker Psychotherapeutin gerade aus der Seele spricht, rät sie, nicht erst auf Besserung an den Weihnachtstagen im nächsten Jahr zu hoffen. „Wichtig ist es, sich zu fragen: Warum mag ich Weihnachten nicht? Nachdem man einige Gründe dafür verstanden hat, darf man sich das Gefühl zugestehen, einsam oder traurig zu sein.“ Dieser Erkenntnis sollte ein positiver Gedanke folgen, der so sicher ist wie die Wiederkehr von Weihnachten: „Es sind nur drei Tage im Jahr. Und die gehen vorbei. Heute ist es vielleicht sehr schwer, aber schon übermorgen liegt Weihnachten wieder hinter mir. Wer sich das klarmacht, kann sich besser distanzieren.“
Ein detaillierter Zeitplan mit (Alltags-)Aktivitäten und persönlichen Vorhaben, vom Aufstehen über das Duschen, Kerze-Anzünden, einen Lieblingsfilm schauen, sich etwas Gutes tun, wie zum Beispiel das Lieblingsgericht kochen, an die frische Luft gehen, würde die schwierige Zeit schneller und leichter verstreichen lassen. „Ein gutes Selbstschutzprogramm ist vorteilhaft. Auf jeden Fall sollte man die negativen Gedanken so gut wie möglich zu begrenzen versuchen“, betont Gstrein.
📞 Hilfe
Psychosozialer Krisendienst in Tirol, von 8–20 Uhr, Telefonnummer 0800/400120.
Rat auf Draht, kostenlose Telefonberatung für Kinder, Jugendliche und Bezugspersonen 24/7 unter der Notrufnummer 147.
Das aktive Vier-Wände-Verlassen und Selbstwirksam-Werden könne die Stimmung weiter heben. „Einen Spaziergang machen, einen Auftritt eines Kinderchors oder Menschen im Altenheim besuchen, an Orte gehen, wo ich Menschen begegne. Mittlerweile haben auch Lokalitäten geöffnet“, beschreibt sie Auswege aus dem Alleinsein.
Menschen mit sozialen Kontakten empfiehlt Gstrein, diese zu nutzen. „Am besten man ruft jemanden an oder schreibt eine SMS. Traurigkeit ist kein Versagen.“ Und keine Angst davor, aufdringlich zu sein. „An diesen Tagen geht es ganz vielen Menschen nicht gut, und über Rückenschmerzen spricht man auch.“
Menschen, die spüren, dass das alles nicht hilft, sollen sich helfen lassen. „Es gibt österreichweit Beratungshotlines. In Tirol ist zum Beispiel der Psychosoziale Krisendienst ein Ansprechpartner. Wenn es ganz schwierig wird, kommt sogar jemand zur Hilfestellung nach Hause“, weiß die Psychotherapeutin. Wer das nicht will, kann die Notfall-Ambulanz an der Innsbrucker Uni-Klinik aufsuchen. Dort weiß man genau, dass derzeit oftmals alles andere als „O du Fröhliche“ herrscht.