Landtagswahl in Niederösterreich: Zwischen türkisem Tief und blau-gelbem Machtkartell
Landeshauptfrau Mikl-Leitner muss sich gegen eine Niederlage stemmen. Ihre Sympathiewerte könnten einen Absturz verhindern.
St. Pölten – „Miteinander“ – dieses Wort nimmt seit Wochen in allen Reden und Aussagen von Johanna Mikl-Leitner einen zentralen Platz ein. Die Landeshauptfrau will so ihr Image pflegen, für alle Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher Verantwortung zu übernehmen. Zugleich will sie sich so gegen den herrschenden Gegenwind schützen. Denn die Umfragen sagen der ÖVP in ihrem Kernland Verluste für den 29. Jänner voraus. Ob es ein Wahldebakel wird, hängt auch davon ab, welche Wirkkraft Mikl-Leitners Sympathiewerte noch haben.
Was wäre ein Debakel? 2018 erreichte die niederösterreichische VP 49,6 Prozent. Also ist jedes Ergebnis unter der 40-Prozent-Marke ein Absturz, verliert die niederösterreichische VP doch so auch die Absolute in der Landesregierung (siehe unten).
Die niederösterreichische VP sieht sich von zwei Seiten massiv unter Druck. Zuvorderst betrifft es die Bundespartei, die seit Monaten schwächelt und mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert ist. Mikl-Leitner bemüht sich daher um eine Betonung der Eigenständigkeit im flachen Land. Wenn sie gefragt wird, ob sie zum schwarzen oder zum türkisen Flügel der ÖVP gehört, antwortet Mikl-Leitner: blau-gelb. Die Fokussierung auf die Landesfarben soll aus der ÖVP die „Niederösterreich-Partei“ werden lassen.
Doch die Distanzierung gelingt nicht. Während Mikl-Leitner das Wort der „Niederösterreich-Partei“ bemüht, ortet man eine „Verniederösterreicherung“ der Bundespartei. ÖVP-Obmann und Bundeskanzler Karl Nehammer wurde in der niederösterreichischen VP sozialisiert. Mikl-Leitners politischer Weggefährte, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, gilt als Minusmann in der Bundespolitk. Aus Mikl-Leitners Umfeld stammen zudem Innenminister Gerhard Karner und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Zudem ist seit wenigen Monaten auch mit Christian Stocker der Parteimanager ein Niederösterreicher.
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Wenn man aufgrund der niederösterreichischen Vormachtstellung von der „Verniederösterreicherung“ der Kanzlerpartei spricht, sieht sich die Volkspartei in Niederösterreich selbst mit dem Vorwurf eines „blau-gelben Machtkartells“ konfrontiert. Postenbesetzungen, Inseratenschaltungen in ÖVP-nahen Magazinen bis hin zu geschönten Berichten des Landesrechnungshofes wurden vom politischen Gegner thematisiert. Mit der Affäre rund um den Landesdirektor des ORF Niederösterreich wurde für viele Bürgerinnen und Bürger das Funktionieren dieses Machtmonopols augenscheinlich. Landesdirektor Robert Ziegler hat schon seine Funktionsperiode als Chefredakteur dazu genützt, Mikl-Leitner immerzu in ein positives Bild zu rücken. Jetzt musste er seine Zuständigkeiten hinsichtlich der Berichterstattung abgeben.
Die niederösterreichische VP versucht nun einen Monat vor der Landtagswahl, die Opferrolle einzunehmen. „Das Match lautet alle gegen uns. Alle gegen die Volkspartei Niederösterreich. Alle gegen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner“, sagt Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner. SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl wolle die ÖVP in Opposition schicken, FPÖ-Landespartei- und Klubobmann Udo Landbauer wolle ebenfalls Landeshauptmann werden, erläuterte Ebner bei der Präsentation der VP-Landesliste. Es gebe verschiedene Varianten, wie die NEOS oder die Grünen den Ausschlag für eine Mehrheit gegen die ÖVP geben.
Mikl-Leitner bemüht derweil ihr Zauberwort einmal mehr: miteinander.
ÖVP kämpft um Absolute in der Landesregierung
Kein Optimist glaubt, dass die niederösterreichische VP die Absolute im Landtag verteidigt. Für den Machterhalt ist das nicht so wichtig.
m 29. Jänner wird in Niederösterreich ein neuer Landtag gewählt. Trotz leichter Verluste konnte die ÖVP am 28. Jänner 2018 die Absolute im Landtag verteidigen. Johanna Mikl-Leitner führte als Nachfolgerin von Langzeit-Landeshauptmann Erwin Pröll erstmals ihre Partei in die Wahl.
Nicht einmal eingefleischte ÖVPler gehen davon aus, dass in einem Monat die absolute Mandatsmehrheit verteidigt werden kann. Doch damit muss nicht zwangsläufig ein Machtverlust einhergehen.
Denn anders als etwa in Tirol gibt es in Niederösterreich keine klare Trennung von Regierung und Opposition. Das heißt, in der Landesregierung sind im Verhältnis zum Landtagswahlergebnis auch jene Landesparteien vertreten, die eine bestimmte Stärke repräsentieren. Im Unterschied zu Tirol und anderen Landesregierungen mit klassischen Koalitionen herrscht in der niederösterreichischen Proporzregierung kein Einstimmigkeitsprinzip, sondern ein Mehrstimmigkeitsprinzip vor.
Laut der Wahlarithmetik könnte die ÖVP bei einem Wahlergebnis zwischen 42 und 44 Prozent mit einer Absoluten in der Landesregierung rechnen. Deshalb wird insgeheim dies als Richtmarke ausgegeben. Denn damit hat die ÖVP weiterhin die Macht im Lande. Von den vergangenen Umfragen her wird dies schwer erreichbar sein, gilt aber keinesfalls als unmöglich.