Schwere russische Angriffe in Ukraine, Kreml lehnt Friedensplan Kiews ab
Russland führt seine massiven Angriffe auf die Ukraine weiter. Indes will der Kreml mit Kiew nicht über einen möglichen Frieden verhandeln, weil Moskau einen Abzug aus dem Nachbarland ablehnt.
Kiew, Moskau – Mit schweren Raketenangriffen hat Russland erneut zahlreiche Ziele in der Ukraine ins Visier genommen. Nach nächtlichen Drohnenangriffen wurden Donnerstagfrüh landesweit vor allem die Energieinfrastruktur mit insgesamt mehr als 120 Raketen attackiert. Das Nachbarland Belarus meldete nach dem Einsatz der ukrainischen Flugabwehr den Fund einer Rakete auf seinem Staatsgebiet. Raketentrümmer beschädigten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zwei Häuser.
Nach Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko wurden drei Menschen verletzt, darunter eine 14-Jährige. Die ukrainische Flugabwehr schoss nach eigenen Angaben 16 Raketen ab. Rund 40 Prozent der Verbraucher in Kiew waren zunächst ohne Strom. Die Energieversorger arbeiteten daran, die Stromversorgung wieder herzustellen, teilte Klitschko mit. Wärme- und Wasserversorgung funktioniere normal.
Staatsmedien in Minsk meldeten, dass eine vom Flugabwehrsystem S-300 abgeschossene Rakete auf belarussisches Staatsgebiet gefallen sei. Die Gründe würden derzeit untersucht. Demnach wurde auch Machthaber Alexander Lukaschenko unterrichtet. Die Staatsagentur Belta meldete, die Rakete sei womöglich im Zuge des Einsatzes der ukrainischen Flugabwehr auf das Gebiet von Belarus gelangt. Das wäre ein ähnlicher Vorfall wie im November, als polnisches Gebiet getroffen wurde. In der Ukraine sind die Sorgen groß, dass Russland von Belarus aus einen neuen Angriff starten könnte. Ein solcher Fund könnte von Minsk und Moskau als Vorwand genutzt werden.
"Friedensformel" für Moskau nicht akzeptabel
Unterdessen lehnte der Kreml ukrainische Bedingungen für Friedensverhandlungen ab. "Es versteht sich von selbst, dass wir zu diesen Bedingungen mit niemandem reden werden", sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow in einem am Donnerstag auf der Homepage des Ministeriums veröffentlichten Interview. Russland werde weder die besetzten Gebiete aufgeben, noch Reparationszahlungen leisten oder sich vor internationalen Gerichten schuldig bekennen. Lawrow nannte die Führung in Kiew "verhandlungsunfähig". Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seine "Friedensformel" vorgestellt. Die wichtigsten Punkte sind der vollständige Abzug der russischen Truppen von ukrainischem Gebiet und Reparationszahlungen für die vom russischen Militär angerichteten Zerstörungen.
Im südrussischen Gebiet Saratow schoss die Flugabwehr nach Behördenangaben nahe dem Militärflugplatz Engels-2 eine Drohne ab. Der Militärflugplatz, auf dem Russland strategische Bomber für Raketenangriffe auf die Ukraine stationiert, wurde zuvor im Dezember bereits zweimal attackiert. Nach britischer Einschätzung zeigen die ukrainischen Drohnenattacken die Verwundbarkeit der russischen Luftverteidigung. Es werde immer deutlicher, dass Russland Schwierigkeiten habe, Angriffe tief im Landesinneren abzuwehren, teilte das Londoner Verteidigungsministerium mit. Moderne Flugabwehrsysteme seien vermutlich rar, weil sie auch zum Schutz von Hauptquartieren nahe der Frontlinie benötigt würden, hieß es.
Ukraine rückt in Kreminna vor
Das ukrainische Militär ist nach eigenen Angaben bei der strategisch wichtigsten Stadt Kreminna im Gebiet Luhansk vorgerückt. "Unsere Soldaten setzen ihre Angriffshandlungen im Gebiet der Stadt Kreminna fort. Im Laufe der Woche sind die Verteidiger der Ukraine bis zu 2,5 Kilometer in Richtung der genannten Ortschaft vorgedrungen", sagte General Olexij Hromow bei einem Briefing des Generalstabs. Kreminna gilt als mögliches Einfallstor, um im Osten der Ukraine weiter vordringen zu können.
In Russland wird die Strafe für Sabotageakte und Unterwanderung der sozialen Ordnung auf bis zu lebenslange Haft verschärft. Kremlchef Wladimir Putin hat die entsprechenden Änderungen am Donnerstag unterzeichnet, wie aus der Veröffentlichung auf dem offiziellen Gesetzesportal hervorgeht. Bestraft werden können demnach nicht nur Sabotageakte selbst, sondern auch die Finanzierung, das Werben und die Vorbereitung von Staatsstreichen und anderen "subversiven Handlungen". Bürgerrechtler beklagen, dass die schwammige Formulierung und die unterschiedliche Auslegung von Gesetzen der Obrigkeit einen großen Spielraum für die Verfolgung der Opposition und Andersdenkender eröffnet. (APA, dpa)