Andreas Babler an Doskozil & Co.: „Von meiner SPÖ erwarte ich Haltung“
Der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler beklagt das Verhalten seiner Partei in der Flüchtlingsfrage – und das von Doskozil.
Wien – Die Wahl in Niederösterreich steht an. Der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, bekannt für den Einsatz für Flüchtlinge, ist mit Rang 35 der Letzte auf der SPÖ-Liste für den 29. Jänner. Mit diesem „sehr sichtbaren Platz“ habe man diesen bewusst ausgestattet, um in Richtung Bundesregierung „ein Symbol auszusenden“, sagt der rote Spitzenkandidat Franz Schnabl.
Welches Symbol ist ein unwählbarer Platz? Diese Frage der TT beantwortet Babler so: „Ich bin als Landesnotwendigkeit auf die Liste gereiht worden. Der letzte Platz war mein Wunsch – und passt zu mir als Underdog.“ Inwiefern Underdog? „Weil ich gesellschaftspolitisch eine Politik von unten nach oben vertrete. Das ist für mich ein positiver Begriff, auch eine Art Lebensgefühl.“
Babler engagiert sich Tag für Tag für Flüchtlinge – in seiner Stadt ist ein Erstaufnahmezentrum. Ortet er dieses Engagement in der gesamten SPÖ? „Das sehe ich nicht. Nicht nur in meiner Partei nicht, auch nicht bei den Grünen, von denen es ebenfalls zu erwarten wäre. Von ÖVP und FPÖ rede ich da nicht. Ich sehe leider für alle Menschen, die Humanismus hochhalten – dazu gehören Netzwerke und Organisationen –, keine politische Lobby mehr, auch nicht die SPÖ.“
Für ihn gehe es nicht nur um Gesten zu Weihnachten: „Wir hier machen das 365 Tage lang, auch für die autochthone Bevölkerung. Von der Mindestpensionistin beginnend quer durch alle Schichten. Wir unterstützen zudem Kinder aus finanziell schwachen Familien. Mir geht es darum, strukturell zu helfen, nicht um Almosenpolitik.“ Ihn und die Seinen leite – „anders als die SPÖ im klassischen Sinn, bei der das verloren gegangen ist, und die NEOS“ – bei der Kinderbetreuung „Politik aus einem eigenen Rechtsanspruch der Kinder heraus zu denken“, sagt Babler.
Was fehlt ihm bei seiner Partei? „Eine gefestigte Wertorientierung auf Basis sozialdemokratischer Grundwerte. Nötig ist eine Re-Ideologisierung. Es gibt in der Sozialdemokratie aber viele, die so ticken wie ich.“ Etwa jene 25 Bürgermeister aus Oberösterreich, die bereit gewesen seien, „sofort Kinder aus Moria in ihren Gemeinden aufzunehmen“.
Einzelne Initiativen sind löblich – wofür steht die SPÖ in der Causa? Hier die Aussage von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner vom Sommer, dass es keine Flüchtlingskrise gebe, da der Alarmismus von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. „Die SPÖ sollte für uneingeschränkten Humanismus und faktenbasierte Politik stehen. Ich war als Jugendlicher viel unterwegs, habe die Situation im Nahen Osten und anderswo in Flüchtlingslagern gesehen. Angesichts dessen ist die Aufgabenstellung sehr klein, die wir jetzt in Österreich haben. Das ist ein emotionalisiertes, erbärmliches Schauspiel.“ Mit Asylzahlen werde Politik gemacht; dabei sei das alles mit entsprechender Aufteilung in den Bundesländern machbar. „Von meiner SPÖ erwarte ich, dass sie Haltung bewahrt, sich gegen den Mainstream, der sich in Boulevardmedien niederschlägt, stellt. Dazu bedarf es Mutes, auch den gegen Widerspruch.“
Derart mutig müsse Rendi-Wagner sein: „Sie sollte sagen, dass wir in Europa auch wirtschaftliche Migration brauchen, dass auch so genannte Unqualifizierte willkommen sind. In der Pflege, als Erntehelfer, in der Gastronomie. Dort geht es beispielsweise darum, Geschirr abzuwaschen und Salat zu putzen.“ Von der SPÖ komme „kein positives Konzept – mit der Ansage, dass wir wirtschaftliche Migration benötigen, es aber kein Lohndumping für diese Menschen geben darf“.
Babler beklagt auch, dass seine Bundespartei das Veto der ÖVP-geführten Regierung gegen den Schengen-Beitritt von Bulgarien und Rumänien gutgeheißen hat: „Das war ein Fehler. Da hätte es von der SPÖ eine differenzierte Linie geben müssen.“ Anstand, Haltung fordert Babler von den Parteioberen: „Es gibt keine Flüchtlingskrise. Was die Zahlen anlangt, ist das machbar. Es waren das ganze Jahr über weniger Asylwerber in der Grundversorgung als während der Zeit Herbert Kickls als Innenminister.“ Auch mit dem nunmehrigen Ressortchef, ÖVP-Mann Gerhard Karner, wären „Dinge schnell lösbar. Wenn man das will, nicht populistisch, wie er agiert“.
Und wie wertet Babler das Verhalten Doskozils, der stetig öffentlich wider Rendi-Wagner & Co. werkt? „Wir müssen endlich weg von persönlichen Befindlichkeiten, das ist unerträglich. Das gilt für das Burgenland ebenso wie für die Löwelstraße (Sitz der Parteizentrale).“ Inhaltliche Auseinandersetzungen coram publico seien nicht verwerflich, die habe es seit Anbeginn der hiesigen Sozialdemokratie gegeben: „Wenn aber in der Wahrnehmung übrig bleibt, dass es da Trotzige gibt, die dies rein aus persönlichen Motiven heraus tun, dann kann es das nicht sein. So reüssieren wir bei Wählern nicht. Andernfalls könnten wir bei 40 Prozent Zuspruch liegen.“ Babler verweist auf den Bundesparteirat: „Da hätten wir eine Bühne für Inhaltliches, von dem es von uns ja viel gibt, gehabt. Damit sind wir aber in der Berichterstattung abgestunken – weil es wieder Zwischenrufe aus dem Burgenland gegeben hat.“ Es wäre auch Sache von Christian Deutsch, für Ruhe in der SPÖ zu sorgen: „Es ist Aufgabe des Parteimanagers, Strukturen reinzubringen.“
Gewerkschafter Josef Muchitsch und der Linzer Bürgermeister Klaus Luger kritisieren Doskozil. Zu debattieren sei „in den Gremien, da ist Doskozil gewählt, aber in Permanenz nicht anwesend“. Und: „Dieses ständige öffentliche Anpatzen“ schade „der Bewegung“.Manche Rote meinen gar, Doskozil sollte wegen parteischädigenden Verhaltens aus der SPÖ ausgeschlossen werden. Wie sieht Babler das? „Dafür bin ich nicht. Wir sollten aber die Diskussion über Personen zurückschrauben – und über Inhaltliches reden.“