Medikamente werden knapp: Vorschläge von Krisenlager bis Produktionsfonds
Mehr als 540 Medikamente sind in Österreich derzeit eingeschränkt oder gleich gar nicht mehr verfügbar. Ein Problem ist, dass viele Wirkstoffe in Asien hergestellt werden.
Wien – Die Debatte um die Versorgung mit Medikamenten geht weiter: Aktuell sind laut Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) mehr als 540 Arzneimittel nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Ärztekammer-Vizepräsident Harald Mayer kritisierte im Ö1-Morgenjournal die Abhängigkeit in der Herstellung von Asien. Andreas Windischbauer, Präsident des Verbands der Arzneimittelgroßhändler (Phago), sieht in einem "Krisenlager" eine Lösung.
"Wir brauchen ein Krisenlager für ganz wichtige Arzneimittel, weil es in globalen Lieferketten immer wieder zu Problemen kommen kann", sagte Windischbauer. Vieles könne nur auf europäischer Ebene passieren, aber in diesem Bereich müsse Österreich selbst einen Vorrat schaffen.
"Wir sind weiter abhängig von Rohstoffen aus diversesten Drittländern und wir haben es nicht geschafft, eine vernünftige EU-weit einheitliche oder von mir aus auch gemeinsam mit den Vereinigten Staaten, Großbritannien et cetera eine Versorgung an Medizinprodukten herzustellen oder zu versuchen aufzubauen", kritisierte Mayer. Die Herstellung nach Europa zu holen "ist ein langjähriger Vorgang", so Windischbauer. Zudem hätten gerade die gängigsten Mittel enorm niedrige Preise – "70 Prozent der Arzneimittel liegen unter sechs Euro". Auf diesem Niveau sei "keine Herstellung in Europa möglich".
Ministerium: Exportverbot für Medikamente bei Engpass
Das Gesundheitsministerium verwies gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal auf das bereits bestehende Verbot, nur eingeschränkt zur Verfügung stehende Arzneimittel ins Ausland zu verkaufen. In einem Statement hieß es weiter: "Um den internationalen Lieferengpässen besser begegnen zu können, arbeitet Österreich gemeinsam auf EU-Ebene intensiv daran, Lösungen zu finden und Europa in Bezug auf Arzneimittel als Standort wieder unabhängiger zu machen. Bereits die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig hierbei eine starke Gesundheitsunion ist und wie effektiv dadurch Herausforderungen gemeistert werden können."
Für die ÖVP sind höhere Medikamentenpreise eine Lösungsmöglichkeit, damit der Verkauf in Österreich für Hersteller attraktiver wird. Gesundheitssprecher Josef Smolle im Radio: "Es wäre denkbar, bei der Preisgestaltung die Wertschöpfung, die in Europa geschieht, die Produktion in Europa, mit zu berücksichtigen." Es sei auch "durchaus möglich, dass das dann etwas mehr kostet".
Opposition mit verschiedenen Ideen
FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak sagte gegenüber Ö1: "Eine Maßnahme, die relativ schnell durchführbar wäre, wäre die Stärkung der Vertriebskette, also des pharmazeutischen Großhandels, aber auch der Apotheken dahingehend, dass auch in diesem Bereich der Kostendruck weniger stark wird, sodass die Vorratshaltung von kritischen Medikamenten für einen längeren Zeitraum im Land bereits stattfindet." Gerald Loacker von den NEOS plädierte für europäische Zusammenarbeit beim Einkauf nach dem Beispiel der Beschaffung der Corona-Impfstoffe.
Die SPÖ will die Produktion von Medikamenten nach Österreich und Europa zurückholen, gefördert aus einem Fonds mit drei Milliarden Euro, hieß es im Mittagsjournal. Gesundheitssprecher Philip Kucher urgiert zudem ein nationales Krisenlager mit einem Notfallvorrat an definierten Medikamenten und Medizinprodukten. Forderungen nach höheren Preisen kritisierte er: Es könne nicht sein, dass Patientinnen und Patienten "mitten in der Teuerungswelle für die Untätigkeit der Regierung zur Kasse gebeten werden", sagte er in Richtung ÖVP in einer Aussendung. "Dass sich die FPÖ dem anschließt, entlarvt die Freiheitlichen wieder einmal als Reichenpartei."
Beim BASG war auch in den vergangenen Jahren eine große Zahl von Medikamenten als nicht verfügbar gemeldet: 2020 waren es in Summe knapp 1.102, 2021 knapp 800 und 2022 in Summe fast 1.260, hieß es im Ö1-Morgenjournal. (APA)