Viennale-Eröffnungsfilm „Vera“ ab sofort im Kino: Ewige Tochter und fiktive Patentante
Das Regie-Duo Tizza Covi & Rainer Frimmel schreibt in „Vera“ der echten Vera Gemma eine Geschichte auf den Leib.
Innsbruck –Wer den Namen Gemma nicht kennt, könnte die Hauptfigur im Film „Vera“ für reine Fiktion halten. Doch so einfach ist es bei den Spielfilmen des Regie-Duos Tizza Covi & Rainer Frimmel nie. Ihre Figuren werden realen Menschen auf den Leib geschrieben und von dort aus in ein Abenteuer geschickt.
Nach einem Abstecher zu den Wiener Gschichtldruckern („Aufzeichnungen aus der Unterwelt“), einer Interview-Dokumentation ohne Spielfilmelemente, führen die Wahl-Wiener Südtirolerin Tizza Covi und ihr Partner Rainer Frimmel mit „Vera“ ihr ganz eigenes Konzept zwischen dokumentarischer Figuren-Recherche und erfundener Handlung in Italien fort. Der Eröffnungsfilm der vergangenen Viennale feierte seine Festivalpremiere in Venedig in der Reihe Orizzonti und gewann dort gleich den Regie- und den Schauspielpreis.
📽️ Trailer | Vera
Die römische Schauspielerin Vera Gemma spielt darin eine Version ihrer selbst. Drehbuchautorin Tizza Covi hat ihr abseits des Biografischen auch eine ordentliche Spielfilmhandlung spendiert. Diese für sie geschriebene Geschichte führt ziemlich schnell aus der glitzernden Filmbranche und der römischen High Society heraus. Die Einsamkeit der ewigen Tochter wird jäh durchbrochen, als ihr Fahrer (Walter Saabel) bin einem Autounfall einen Buben verletzt. Vera begleitet diesen ins Krankenhaus und findet schnell Gefallen an ihrer Rolle als Patentante.
Doch die soziale Hilfe gestaltet sich trotz gutem Willen nicht einfach. Der Grat zwischen ehrlicher Unterstützung und dem Ausnützen von Großzügigkeit ist ein schmaler. Tizza Covi formt daraus eine echte Spielfilmerzählung über Mitleid, Engagement, Solidarität und Verantwortung, die das Thema der gesellschaftlichen Ungleichheit tief in ihre lebensechten Figuren einbaut.
Wie schon in der Zirkus-Trilogie „La Pivellina“, „Der Glanz des Tages“ und „Mister Universo“ kommt die Kraft dieses Films aus der Begegnung der Laiendarstellenden. Titelheldin Vera trägt die Spuren ihrer unzähligen Schönheitsoperationen mit Stolz, wie sie einer Kellnerin beim letzten Absacker erklärt.
Das Spannende an dieser Besetzung ist auch der Faden, der aus der Fiktion direkt in die italienische Filmgeschichte führt. Das Thema ihres Lebens ist nämlich ihr verstorbener Vater, der berühmte Italo-Western-Star Giuliano Gemma. Auch wenn sie ihren Vater liebt, hadert die 52-Jährige mit den großen Fußspuren, in die sie tritt. Darüber spricht sie sich auch mit Asia Argento, einer anderen berühmten Tochter, aus. Der Film begegnet Gemma mit viel Empathie und macht sie so zu einer überaus sympathischen Protagonistin.
Ihr Gegenpart ist der schüchterne achtjährige Junge und sein Vater Daniel (de Palma, ein italienischer Fußballer und Boxer). Mit ihnen wird der Film auch zu einem Porträt des römischen Arbeitermilieus der Vorstädte – mit einem Hauch Pasolini.
Am Ende ist „Vera“ eine ehrliche Geschichte um Klassenzugehörigkeit und enttäuschende Oberflächlichkeiten. Und außerdem auch ein Film mit einer Titelheldin, die spät, aber nun doch ihre eigene Filmgeschichte geschrieben hat.
Vera. Ab heute im Kino, in Innsbruck: Leokino.