Neuer Roman

„Tage voller Zorn“ von Tuomas Oskari: Auf „r > g“ folgt die Revolution

Die finnische Hauptstadt Helsinki wird im Roman „Tage voller Zorn“ von Tuomas Oskari zum Schauplatz einer Revolution gegen die ungleiche Verteilung des Vermögens.
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Innsbruck – Der jugendliche Ministerpräsident Finnlands, Leo Koski, hat zwar alles, was ein politisches Talent benötigt – nur sind die Zeiten gegen ihn: Der überwiegende Teil der Bevölkerung leidet unter den massiven Kürzungen des Sozialstaats nach Finanz- und Pandemie-Krise, deren Auswirkungen auch vor der Mittelschicht nicht Halt gemacht haben. Nur die kleine Schicht der wirklich Reichen sammelt immer mehr Vermögen um sich – und schert sich offenbar nicht ums „gemeine Volk“.

In dieser Gemengelage und im Vorfeld des Parteitags der Linken, die die charismatische Emma Erola zur neuen Führerin bestellen wird, braucht es nur einen kleinen Funken, um die bislang subkutane Wut der Menschen zu einem Tsunami anschwellen zu lassen, der die Verhältnisse nachhaltig ändern wird. Eine junge Frau verbrennt sich öffentlich. Die Polizei erschießt Demonstranten.

In dieses dystopische Setting platziert der finnische Politik- und Wirtschaftsjournalist Tuomas Oskari seinen Roman „Tage voller Zorn“, dem er die Überlegungen des Wirtschaftswissenschaftlers Thomas Piketty zugrunde legt: „r > g“ lautet die verkürzte Formel, auf die er die Schieflage der Welt herunterbricht. Wenn die Rendite (r) des Kapitals größer ist als das Wachstum (g = Growth) der Wirtschaft, an dem alle teilhaben können, dann führt dies zu jener Vermögenskonzentration in der Hand der Wenigen, die zum Nährboden für Revolutionen werden kann. Die Aufstellung der Konfliktparteien lässt sich in bald jedes Land übertragen. Finnland als Ort der Handlung ist als überschaubare Volkswirtschaft aber besonders geeignet.

Die fiktionale Lage in Helsinki spielt konsequent durch, was passieren kann, und zeigt zugleich auf, wie wenig es – wenn die Stimmung passt – braucht, um aus Wut einen wirklichen Umbruch werden zu lassen. Mit seinem Debüt hat Oskari gezeigt, dass Gesellschaftskritik durch Spannungsromane perfekt transportiert werden kann – wenn das Handwerk des Schreibens und die Kenntnis der Hintergründe zusammenkommen. Das ist hier der Fall. Ein „Pageturner“ im besten Sinne! (cjw)

Roman Tuomas Oskari: Tage voller Zorn. Bastei Lübbe, 571 Seiten, 24 Euro.