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Netflix-Serienexperiment „Kaleidoskop“: Farben statt Folgen

Tresor der Begierde: Leo (Giancarlo Esposito, r.) plant in „Kaleidoskop“ mit seiner Crew den ganz großen Coup.
© Netflix

Das Serienjahr startet experimentell: Die Serie „Kaleidoskop“ setzt bei einem klassischen Plot auf Interaktivität und individuelle Sichtweisen. Ist mit 2023 das Binge-Watching am Ende angekommen?

Innsbruck – Sieben Milliarden Dollar liegen im Tresor. Eingebettet in Stahlbeton, bewacht von biometrischen Sensoren und einem militärisch geschulten Sicherheitsteam, das nicht zögert, jeden Eindringling umgehend umzunieten. Die Milliarden warten also quasi nur darauf, abgeholt zu werden. Aber alleine ist so ein Megaraub nicht zu machen. Es braucht die richtige Crew, den Safeknacker, die Chemikerin, der Fahrer, die Waffenhändlerin oder den Mann fürs Grobe – so oder so ähnlich hat es im Kino bei „Oceans Eleven“ oder bei der Erfolgsserie „Haus des Geldes“ doch auch funktioniert. Die Frage bleibt, wer hier wem wie lange vertrauen kann – und ob der Coup überhaupt gelingt.

Auch „Kaleidoskop“ bedient sich bei diesem klassischen Heist-Plot. Nur um ihn ganz unklassisch neu aufzurollen. Die zu Jahresanfang gestartete Serie ist ein Experiment. Der Clou: Statt einer strikten Reihenfolge sind die acht Episoden acht Puzzleteile – jede in eine eigene Farben getaucht. In welcher Abfolge man sie verschlingt, ist wurscht, behauptet jedenfalls der Trailer. Ein völlig neues Seherlebnis soll dadurch entstehen – ob in einem durchgebingt oder nicht.

🎬 Trailer | „Kaleidoskop“

Dass Netflix am Sehverhalten der NutzerInnen schraubt, ist keine Neuigkeit. Besonders das „Binge-Watching“, also das konsequente Durchsehen einer kompletten Staffel, ist den Streamingriesen inzwischen eher ein Dorn im Auge. Etliche Plattformen sind bei Neuerscheinungen inzwischen auf einen wöchentlichen Veröffentlichungsrhythmus umgestiegen – Streaming wird damit wieder ein bisschen mehr wie das alte, lineare Fernsehen. Die AbonnentInnen werden so länger bei der Stange gehalten. Das freut Amazon Prime Video, Disney+ und Co. Auch Netflix hat daran Gefallen gefunden: Serien wie „Stranger Things“ oder „Ozark“ wurden zuletzt in zwei Teile aufgeteilt und zeitversetzt veröffentlicht – so ganz scheint das „Binge-Watchen“ also nicht am Ende: Mit derartigen Kompromissen dürfte es 2023 weitergehen.

„Kaleidoskop“ (mitproduziert u. a. von Ridley Scott) geht den anderen Weg. Die Serie regt dazu an, ein und dieselbe Produktion mehrmals zu entdecken. Ob dabei auch eine Diskussion um die „richtige“ Reihenfolge entsteht, wird sich zeigen. Ob das Experiment einen Mehrwert für die ZuseherInnen liefert, ist ebenso fraglich. Ob man die Vorgeschichte (Lila) des in die Jahre gekommenen Meisterdiebes Leo (Giancarlo Esposito, bekannt aus „Breaking Bad“) erst am Ende der Story erfährt – oder die Folgen des doch etwas anders geplanten Raubs (Rot) schon am Beginn erzählt bekommt, ist auch in anderen Produktionen zunächst einmal egal.

Der Wechsel zwischen den Zeitebenen erfolgt bei „Kaleidoskop“ eben nicht mehr innerhalb einer Folge – das sorgt für mehr Struktur. Dafür muss sich das Publikum in jeder Folge neu verorten. Klug geschrieben ist die Serie allemal: Spoiler warten an jeder Ecke. Das Experiment hat also seinen Reiz – besonders für jene, die an schnörkellosen Gangster-Serien ihre Freude haben. Derzeit steht die Produktion auf Platz 1 der Netflixseriencharts.

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