Joan Jonas im Haus der Kunst in München: Im Paartanz mit der Natur
Mit der Überblicksschau zum Werk von Joan Jonas zeigt das Haus der Kunst in München eine der Begründerinnen der Performance. In ihren Arbeiten treffen sich Kunst und Umwelt in respektvoller Art.
München – Der Wind peitscht die PerformerInnen hin und her. Nur schwer können sich die Paare überhaupt auf den Beinen halten. Haare fliegen, Körper stemmen sich steif gegen die natürliche Kraft. Die Masken aber halten, die spiegelnden Kostüme ebenso. Der Paartanz mit der Natur ist eben einer mit besonderen Herausforderungen. Wer hier führt, verrät Joan Jonas im Titel zu „Wind“ (1968), einem ihrer ersten Videos einer Performance in und mit der Umwelt. Es werden etliche weitere folgen, gilt die 86-jährige Künstlerin inzwischen doch als eine der frühen Begründerinnen der Performance. Gleich vier Mal war sie Teil der documenta, 2015 bespielte sie den US-Pavillon der Venedig-Biennale. 2024 widmet ihr das MoMA New York eine umfassende Retrospektive. Nicht verpassen sollte man bis dahin ihre Ausstellung im Haus der Kunst in München.
Vor allem weil die Künstlerin dort in einer Zeit, wo Klimaaktivismus längst seinen Weg ins Museum gefunden hat, die jetzt dringenden ökologischen Fragen stellt. Programmatisch ist die Schau für Direktor Andrea Lissoni, der das Haus als Vorzeigebeispiel in Sachen Nachhaltigkeit positionieren will. Schon die kleinen Dinge machen den Unterschied: Der Bretterboden in der zentralen Halle blieb vom Publikumsrenner „Nebel Leben“ von Fujiko Nakaya von 2022 über, zu den „Bühnenbildern“ von Jonas – so nennt die Künstlerin ihre multimedialen Installationen – passt er ebenso.
Er führt in der Überblicksschau von der zentralen Insel zu vielen kleineren, nicht chronologisch quer durch das Werk der Künstlerin; vorbei am flimmernden „Wolf Lights“ von 2004 weiter zu verschiedensten Begegnungen von Jonas mit nichtmenschlichem Leben, mit Schweinen oder Krustentieren. Bei Jonas ist es ein respektvolles Nebeneinander und so gar nicht künstlich, obwohl in allen Performances der Ritus, das Theater als Gegenpart und bester Freund des Natürlichen zugrunde liegt.
Performance, Installation und Video, in allen Gattungen ist Jonas Vorreiterin, sie experimentiert und überwindet Grenzen – oder verdoppelt sie. In ihrer Liebeserklärung an das Land („I Want to Live in the Country (and Other Romances)“, 1976) etwa überlappen sich ein Waldspaziergang mit dem Inneren ihres New Yorker Studios – noch heute lebt die Künstlerin zwischen der pulsierenden Stadt und der kanadischen Einöde. Freimütig montiert wird auch in „Volcano Saga“ von 1985 mit einer damals noch unbekannten Tilda Swinton. Weitaus strukturierter ist das zentrale „Reanimation“, das dem ewigen Eis beim Sterben zusieht. Und zuhört. Hier pulsiert nur mehr der Sound, eingebettet in ein reizvolles Durcheinander von Wand-Zeichnungen, Projektionen und Spiegelungen.
Die Ausstellung ist ein Coup, das wird in Sälen voll mit jungen BesucherInnen klar – ein Coup, der der Zeit voraus war. Denn die Schau war bereits für 2018 geplant gewesen. Nach einem Finanzskandal am Haus und dem tragischen Tod von Ex-Direktor Okwui Enwezor wurde sie verschoben. Man setzte stattdessen auf die sichere (Künstler-)Bank: etwa Markus Lüpertz. Inzwischen weht – das ist gut so! – ein anderer Wind. Die Jonas-Schau reiht sich ein in die großen Personalen jener wichtigen Künstlerinnen, denen viel zu spät die gebührende Aufmerksamkeit zuteilwurde: Etel Adnan ist aktuell im Kunstbau des Lenbach Haus zu sehen, Rosemarie Trockel wird im MMK in Frankfurt a. M. gefeiert, Valie Export zuerst im Bregenzer KUB und ab Juni in der Albertina Wien, Niki de Saint Phalle noch im Kunsthaus Zürich – um einige wenige zu nennen.
Haus der Kunst. Prinzregentenstr. 1, München; bis 26. Februar. Mo–So 10–20 Uhr, Do 10–22 Uhr. hausderkunst.org