Tschechiens Ex-Regierungschef Babiš in Betrugsprozess freigesprochen
Der Besitzer der Agrofert-Holding war wegen EU-Subventionsbetrug in Millionenhöhe angeklagt. Konkret ging es um EU-Fördergelder für den Bau des Wellnessresorts "Storchennest". Nach dem Freispruch steigen die Chancen des ehemaligen Premiers auf das Präsidentenamt.
Prag – Nach dem Freispruch des tschechischen Ex-Regierungschefs Andrej Babiš in der sogenannten "Storchennest"-Affäre wird in Prag intensiv darüber diskutiert, welche Auswirkungen das Urteil auf die bevorstehenden Präsidentenwahl haben wird. Die Chancen des Milliardärs Babiš bald in die Prager Burg einzuziehen, sind Politologen zufolge durch den Freispruch in dem Betrugsprozess deutlich gestiegen. Bereits bisher galt der Ex-Premier als einer der Favoriten unter den Kandidaten.
Politische Beobachter waren sich am Montag darin einig, dass der frühere Regierungschef durch das Urteil in dem viel beachteten Prozess den Schatten eines strafrechtlich verfolgten bzw. gerichtlich verurteilten Politikers losgeworden sei, auch wenn die Entscheidung des Prager Stadtgerichtes noch nicht rechtskräftig ist.
Babiš habe nun eine etwas bessere Chance, auch Stimmen außerhalb des Lagers der eigenen treuen Wählern zu gewinnen, analysierte der Experte Roman Chytilek von der Masaryk-Universität in Brünn. "Man wird seine Ambition nicht mehr mit der Immunität als Präsident verbinden", so Chytilek. Laut Verfassung ist das Staatsoberhaupt durch die Immunität vor gerichtlicher Verfolgung geschützt.
Chancen auf Präsidentenamt gestiegen
Auch Ladislav Mrklas vom Prager CEVRO-Institut geht davon aus, dass nun "psychologische und moralische Barriere bei den Wählern fallen" würden, um Babiš ihre Stimme zu geben. Besonders in der erwarteten Stichwahl könnte der Freispruch dem Chef der populistischen Partei ANO helfen, meint der Politologen Josef Mlejnek von der Prager Karlsuniversität. "Vor allem dann, wenn es Babiš gelingt, seinen Gegenkandidaten als eindeutigen Repräsentanten der aktuellen Regierung darzustellen", meint Mlejnek.
Die politischen Gegner zeigten sich am Montag über das für viele überraschende Urteil enttäuscht, betonte aber, es zu respektieren. Die Öffentlichkeit habe sich "selbst eine Auffassung über den Charakter von Herrn Babis verschaffen" können. Jeder sollte "selbst sein Urteil fällen, beispielsweise bei der Wahl" des neuen Präsidenten, sagte der Vizepremier und Chef der Bürgermeisterpartei (STAN) Vit Rakušan.
Ähnlich äußerte sich der konservative Regierungschef Petr Fiala. Jeder habe sich in der seit Jahren andauernden "Storchennest"-Affäre eine eigene Meinung gebildet. Wichtig sei aber, "dass die echten politischen Schlachten sich in der Demokratie an den Wahlurnen abspielen, nicht in den Gerichtssälen", betonte Fiala. Die Öffentlichkeit sollte "diese Gelegenheit am Freitag und Samstag nnutzen", sagte Fiala, der im vergangenen Jahren im Wahlkampf vor der Parlamentswahl für sich mit dem Worten geworben hatte, dass er ein Regierungschef sein werde, "für den man sich nicht schämen müsste".
Der Gegenkandidat des freigesprochenen Ex-Premiers bei der Präsidentschaftswahl, der frühere Generalstabschef Petr Pavel, erklärte am Montag im Kurznachrichtendienst Twitter seinen Followern, er verstehe, dass die Entscheidung des Gerichtes "viele von Ihnen verärgert hat". Er empfahl aber "ruhig zu bleiben und Andrej Babiš bei der Wahl das Zeugnis auszustellen", so der pensionierte Armeegeneral. Danuše Nerudová, die neben Babiš und Pavel zu den aussichtsreichsten Kandidaten auf das Präsidentenamt zählt, plädierte dafür, die Gerichtsentscheidung zu respektieren. "Dies ändert aber nichts daran, dass Andrej Babis in der Politik langfristig nur seine eigenen Interessen durchsetzt und zur Untergrabung der Demokratie beiträgt", kritisierte Nerudova.
Auch laut den Wettbüros sind die Chancen von Babis auf Erfolg in der Wahl des Staatschefs gestiegen. In den Wettquoten hätte sich der Milliardär verbessert, aber ohne den bisher führenden Petr Pavel zu überholen, hieß es. (APA)