Erbitterter Kampf um Kleinstadt Soledar in der Ostukraine
Während der Westen über die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine debattiert, spitzt sich die Lage an der Front rund um die umkämpfte Kleinstadt Soledar weiter zu. Kiew widersprach am Mittwoch russischen Angaben, wonach der strategisch wichtige Ort im Osten des Landes an die feindlichen Truppen gefallen sei. "Die Russen sagen, dass Soledar unter ihrer Kontrolle sei. Das stimmt nicht", teilte der Sprecher der Ostgruppe der ukrainischen Armee, Serhij Tscherewatyj, mit.
Um die gesamte Region Donezk unter seine Kontrolle zu bringen, versuche das russische Militär, sowohl Bachmut anzugreifen als auch die Versorgungswege in das benachbarte Soledar zu unterbrechen, hieß es seitens der ukrainischen Militärführung in Kiew. "Die Kämpfe dauern an", hieß es in der Mitteilung.
"Die Front im Donezk-Gebiet hält", sagte auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwochabend in seiner täglichen Videoansprache. "Die Kämpfe gehen weiter, und wir unternehmen alles, um die ukrainische Verteidigung zu stärken. Jetzt versuchen der Terror-Staat und seine Propagandisten so zu tun, als sei ein Teil unserer Stadt Soledar - einer Stadt, die von den Invasoren fast vollständig zerstört wurde - eine Art Eigentum Russlands", sagte Selenskyj. Mit diesen Behauptungen über vermeintliche Erfolge versuchte Russland, seine Bevölkerung zu täuschen und "die Mobilisierung zu unterstützen". Zudem sollten die "Befürworter der Aggression" weitere Hoffnung erhalten.
Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte zuvor gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax von einer "positiven Dynamik beim Vorankommen" gesprochen. Eine offizielle Bestätigung der Einnahme von Soledar war das nicht. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit: "Luftlandeeinheiten haben Soledar von den nördlichen und südlichen Stadtteilen her blockiert." Zugleich wurde eingeräumt, dass die Kampfhandlungen in der Stadt weiter andauerten.
Am Dienstag hatte der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, behauptet, dass die Kleinstadt im Gebiet Donezk fast erobert und etwa 500 ukrainische Soldaten eingeschlossen seien. Am Mittwochabend sagte er, die Stadt sei komplett erobert worden, was die ukrainische Seite jedoch abstritt.
Prigoschin hat den Vorstoß seiner Söldner auf Bachmut erst kürzlich damit begründet, dass es dort riesige Tunnelsysteme gebe, in denen Truppen und Panzer Unterschlupf finden könnten. Auch von den immensen Salzminen um Soledar könnte die russische Seite profitieren, sobald die Region unter ihrer Kontrolle ist. In der US-Regierung gibt es Mutmaßungen, dass Prigoschin möglicherweise die persönliche Kontrolle über die Minen in der Umgebung erringen und sie ausbeuten will.
Die Ukraine verteidigt sich seit Ende Februar 2022 gegen den russischen Angriffskrieg. Zuletzt erzielten Moskaus Truppen bei Soledar und dem benachbarten Bachmut Berichten zufolge Geländegewinne. Beide Städte sind von strategischer Bedeutung, weil sie Teil des ukrainischen Verteidigungswalls vor dem Ballungsraum zwischen Slowjansk und Kramatorsk sind.
Im Zuge des Angriffskriegs ließ Russlands Präsident Wladimir Putin im September Donezk und Luhansk im Osten sowie Cherson und Saporischschja im Süden der Ukraine annektieren. Der Kremlchef bezeichnete die Lage in den völkerrechtswidrig annektierten Gebieten am Mittwoch als "schwierig" und sagte: "In einigen Gebieten dauern Kampfhandlungen an." Bei einem Gespräch mit Regierungsvertretern ergänzte er: "Aber all das ist kein Grund, um eine Pause zu machen und die dringlichsten Fragen aufzuschieben."
Unterdessen gingen in westlichen Hauptstädten die Debatten weiter, ob und in welchem Maß moderne Kampfpanzer in die Ukraine geliefert werden sollen. Ein Regierungssprecher in Berlin unterstrich, dass es nach wie vor weder konkrete Anfragen zu einer Genehmigung von Leopard-2-Lieferungen noch Bitten der Verbündeten gebe, dass Deutschland selbst Kampfpanzer in die Ukraine sende. London deutete indes eine eigene Initiative zur Lieferung von Kampfpanzern an.