Iggy Pop ist wieder da: Die Gitarren kreischen wie eh und je
Er kann es noch. Aber will man es noch? Der nimmermüde Iggy Pop kehrt mit „Every Loser“, seinem neuen Album, ganz als der Alte zurück.
Innsbruck – Warum so grantig, Iggy Pop? Dachte vermutlich jeder und jede, der und die zuletzt die neue Single des „Godfather of Punk“ aufgelegt hat. „Ich bin in Rage, du verdammter Mistkerl“, bellt er dort in „Frenzy“ wie ein junger Hund. Grund des Grants: die „pricks“ dieser Welt. Später wird in „Modern Day Ripoff“ auch noch gefährlich geknurrt – aber keine Angst, bedrohlicher wird’s nimmer, Iggy Pop ist einer, der bellt, aber nicht beißt. Und er ist einer jener Köter, denen man den jungen Hund jetzt bald wirklich nicht mehr abnimmt. Superfood hat die super Drogen von einst längst ersetzt – vielleicht auch ein Grund, warum der bald 76-Jährige überhaupt noch im Business ist.
Mit einem neuen Album kehrt er jetzt aber noch einmal als der Alte zurück. Why not? So ganz vertschüsst hat sich Iggy Pop nie. Sein Album „Post Pop Depression“ von 2016 war sein kommerziell erfolgreichstes. Der Nachfolger „Free“, ein rotzfrecher Ausflug in jazzigere Gefilde, fühlte sich dennoch irgendwie wie der finale Befreiungsschlag an. Iggy Pop ist mehr als der „Godfather of Punk“ – was wäre das für ein Abschied von der Bühne gewesen!
📽️ Video | New Atlantis
Eben „gewesen“, diese schöne Abschiedsstory hat sich der Sänger mit „Every Loser“ nun verloren. Iggy Pop ist wieder unter hard & heavy einzuordnen – zornig wie damals, Ende der Sechziger, als er (damals noch als James Newell Osterberg) mit den Stooges gänzlich roh die Hippie-Bewegung abmontierte. Musik machen wie früher, das hat sich der 75-Jährige auch für die neue Platte vorgenommen. Und hat dafür Musiker um sich geschart, die er seit ihrer Kindheit kenne, sagte Iggy Pop schön selbstironisch. Gemeint sind Duff McKagan, der bei Guns n’ Roses den Bass bearbeitete, Stone Gossard von Peal Jam oder der 2022 verstorbene Foo-Fighters-Drummer Taylor Hawkins. Travis Barker, der sich mit Blink 182 einst zwar ziemlich stumpf, aber immerhin an die Spitze der Charts trommelte, ist ebenso dabei wie Chad Smith, der mit den Red Hot Chili Peppers zuletzt wieder auf dem Weg genau dorthin war. Als Special Guest der Chili Peppers kehrt Iggy Pop übrigens im Juli nach Wien zurück.
Diesen Gig genießen können auch jene, die auf „Iggy Pop?“ mit „The Passenger!“ antworten. Denn es dürfte laut werden. Hält „Every Loser“ doch Mitgrölsongs bereit; „All the Way Down“ etwa oder „Strung Out Johnny“, beides am Reißbrett entworfene Rocksongs, die es vermögen, ein Stadionpublikum in Wallung zu bringen. In dieselbe Kerbe schlägt „Frenzy“, in dem die knarzige Stimme von Iggy Pop sich mit den eingangs zitierten Parolen bald selbst in Rage singt. Als solider Krachmacher präsentiert sich Iggy Pop in „Neo Punk“. Auch in „Modern Day Ripoff“ rumpeln die Bässe, die Drums heizen an, die Gitarren kreischen, als hätte es Synthesizer (der bei „Strung Out Johnny“ zum Einsatz kommt) nie gegeben – und als wäre Gitarrenrock immer noch das rebellische Nonplusultra.
Auch wenn dieser 2023 wieder in den Charts vertreten ist, er klingt heute anders. Vielleicht vor allem, weil er nicht von den immergleichen (männlichen! weißen!) Musikern kommt. Oder nicht mit den immergleichen, doch etwas miefigen Bildern um die Ecke schaut. Nichts Neues dagegen in Iggy Pops „New Atlantis“ – ein Song für seine Heimat Miami, jene „wundervolle Hure einer Stadt“, die demnächst wohl im Wasser versinken wird. Auch Zeilen wie „Sell your face to Hollywood/They’re payin’ good, payin’ good“ (in „Comments“) sind gerade keine Augenöffner. Dann schon eher jene Zeile, mit der Iggy Pop sein Album erst eröffnet: „I got a dick and two balls, that’s more than you all“ heißt es in „Frenzy“. Ja, wir haben’s verstanden! Und hoffen, dass das Musikjahr 2023 mehr zu bieten hat.
Atlantic Records/Golden Tooth Records.
📅 So wird 2023