Elchtest für die Tiroler Wirtschaft, Lage ist besser als die Stimmung
Wirtschaftslandesrat Mario Gerber für „mehr work und weniger life“.
Innsbruck – Trotz noch nicht ganz überwundener Corona-Pandemie, anhaltender Lieferkettenprobleme, russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und Energieknappheit erweise sich Tirol als Standort überraschend stabil, sagt der für Wirtschaft, Tourismus und Digitalisierung zuständige ÖVP-Landesrat Gerber. Die Stärke des Standorts Tirol sieht Gerber „in seiner Breite“ mit Industrie, Tourismus und vielen starken Klein- und Mittelbetrieben.
„Es ist die Stimmung viel schlechter, als die Lage eigentlich ist.“ In das Jahr 2023 starte Tirol mit moderaten Wachstumsaussichten und beinahe Vollbeschäftigung. Dennoch werde das Jahr 2023 für Tirol zum Elchtest.
Gerber zeigt sich „felsenfest davon überzeugt“, dass es jetzt große Reformen benötige. Diese müssten ältere Arbeitnehmer, Frauen, Kinderbetreuung und die qualifizierte Zuwanderung betreffen, um den Arbeitskräftemangel zu bekämpfen und den Wohlstand abzusichern. Dazu benötige es auch einen „Schritt zurück in die Leistungsgesellschaft“, wobei es in Zukunft „ein bisschen weniger life und ein bisschen mehr work“ (also mehr Arbeit als Freizeitgenuss) brauchen werde. „Die hohen Lebenskosten in Tirol werden wir mit einem Teilzeitjob nicht finanzieren können.“ Daher begrüßt er auch die Arbeitsgruppe zum Arbeitskräftemangel, die vom Bund nach der Regierungsklausur eingerichtet worden ist.
Wirtschaftswissenschafter Univ.-Prof. Gottfried Tappeiner zeigt sich fürs heurige Jahr auch relativ optimistisch und prognostiziert ein Wachstum im Bereich von plus 0,4 bis etwa 1 Prozent. „Das reicht aus, um die Situation zu erhalten.“ Die Prognosen aller Forschungsinstitute würden zeigen, dass sich die „wahrgenommene Situation von der faktischen sehr stark unterscheidet“.
Es seien zwar viele Krisen „auf das System eingeprasselt“, aber das „Hauptproblem am Arbeitsmarkt sei nicht die Arbeitslosigkeit, sondern der Fachkräftemangel. „Das ist eigentlich ein Luxusproblem“, so Tappeiner. Allgemein gebe es aber „Unwägbarkeiten und geschwächte Akteure“, weil die Wirtschaft nach den überstandenen Krisen weniger Reserven habe. Die Politik solle sich vorerst mit Eingriffen zurückhalten. Dass zuletzt immer wieder die „Gießkanne ausgepackt wurde, sei aber richtig gewesen. Von „einigen Mantras“, etwa die Globalisierung betreffend, werde man sich mit Stichwort Medikamente, Mikrochips und anderem verabschieden müssen. Auch die ungleiche Einkommensverteilung müsse eingedämmt werden.
Standortagentur-Chef Marcus Hofer sprach sich für einen „qualifizierten Zuzug“ internationaler Fachkräfte aus. Dafür werbe man auch Studierende in Tirol an und versuche jene, die das Bundesland verlassen haben, wieder zurückzuholen. Die Ansiedelung von Unternehmen habe sich nicht sehr stark verändert. Man werbe aber gezielt bei Unternehmen in den Bereichen Digitalisierung und Life Science, sich in Tirol niederzulassen.