Russland traf Hochhaus mit Rakete: Mindestens 40 Tote in Dnipro, darunter 3 Kinder
Ein großer Teil eines neunstöckigen Hochhauses war am Samstag nach einem russischen Raketentreffer eingestürzt. Mindestens 40 Zivilisten starben. Der Kreml dementierte, für den Angriff verantwortlich zu sein.
Kiew, Moskau – Nach den russischen Raketenangriffen auf die Ukraine ist die Zahl der Toten in einem zerstörten Wohnhaus in der Stadt Dnipro weiter angestiegen. Die ukrainischen Behörden meldeten am Montag den Tod von 40 Menschen in dem Haus, darunter 3 Kinder. Zuvor hatte der Militärgouverneur des Gebiets Dnipropetrowsk, Walentyn Resnitschenko, von 35 Toten gesprochen. In der Nacht seien weitere Leichen aus den Trümmern geborgen worden. Der Kreml dementierte indes den Angriff.
📽️ Video | Wehrschütz zu russischer Angriffswelle
Ein großer Teil des neunstöckigen Hochhauses war am Samstag nach einem Raketentreffer eingestürzt. Am Sonntagabend war von mindestens 30 Toten die Rede gewesen. "Die Suche nach den Menschen unter den Trümmern geht weiter", sagte Resnitschenko. In Dnipro herrschten Minusgrade, weshalb kaum noch mit Überlebenden gerechnet wurde. Der Militärgouverneur gab die Zahl der Verletzten mit 75 an, darunter zwei Kinder. Demnach überlebten mehr als 100 Menschen den Einsturz des Hauses.
UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den tödlichen Angriff auf ein Wohnhaus der ostukrainischen Stadt. Guterres zufolge handle es sich "um ein weiteres Beispiel für eine mutmaßliche Verletzung des Kriegsrechts", sagte seine Sprecherin Stéphanie Tremblay am Montag. Der Angriff auf ein Wohngebäude am Samstagabend sei einer der Angriffe mit den meisten Toten in der Ukraine seit Beginn der russischen Invasion gewesen, fügte sie hinzu. Die UNO-Koordinatorin für die Ukraine, Denise Brown, habe eine "Untersuchung wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen und die Strafverfolgung der Verdächtigen" gefordert, sagte Tremblay weiter.
Klitschko: Infrastruktur kann jede Sekunde zusammenbrechen
Die wiederholten russischen Raketenangriffe auf die kritische Infrastruktur in Kiew und die Kälte setzen die ukrainische Hauptstadt nach den Worten von Bürgermeister Vitali Klitschko unter erheblichen Druck. Die Infrastruktur könne wegen der Angriffe jederzeit zusammenbrechen. Die westlichen Verbündeten müssten daher die Lieferung von Luftabwehrsystemen beschleunigen, sagt Klitschko der Nachrichtenagentur Reuters in Davos, wo er gemeinsam mit seinem Bruder Wladimir das Weltwirtschaftsforum besucht. "Wir sprechen nicht über den Zusammenbruch, aber es kann passieren ... jede Sekunde", sagt Vitali Klitschko. Denn russische Raketen könnten die kritische Infrastruktur in Kiew zerstören. Derzeit gebe es dort einen Energieausfall von 30 Prozent. "In der Ukraine ist es gerade ziemlich kalt, daher ist ein Leben ohne Strom und Heizung fast unmöglich. Die Situation ist kritisch. Wir kämpfen ums Überleben."
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in seiner Videoansprache am Sonntagabend mit Blick auf die Verschütteten, dass weiter um jeden Menschen gekämpft werde. "Und die Rettungsarbeiten werden so lange andauern, wie auch nur die geringste Chance besteht, ein Leben zu retten."
Der Angriff auf das im Gebiet Dnipropetrowsk gelegene Dnipro war der folgenreichste von mehreren Angriffen am Samstag. Die heftigste russische Angriffswelle seit dem Jahreswechsel richtete sich erneut auch gegen die ukrainische Energieinfrastruktur. Neben Dnipropetrowsk waren unter anderem auch die Region um die Hauptstadt Kiew, das im Westen gelegene Lwiw (Lemberg) und Charkiw im Osten schwer betroffen. Es gab vielerorts Stromausfälle.
Rettungskräfte: Menschen schreien unter den Trümmern
Rettungskräfte berichteten, unter den Trümmern schrien noch immer Menschen. Auch wegen der Kälte wachse die Sorge um die Verschütteten, hieß es. "Verbrennt in der Hölle, russische Mörder", schrieb der Vorsitzende des regionalen Rates, Mykola Lukaschuk, auf Telegram nach dem Angriff vom Samstag.
Ein Teil des mehrstöckigen Gebäudes war vollständig zerstört worden. Rettungskräfte arbeiteten die ganze Nacht durch. Sie berichteten, sie hätten unter den Trümmern Menschen um Hilfe schreien gehört.
📽️ Video | Viele Tote nach Raketenangriff in Dnipro
Die Präsidialverwaltung in Kiew veröffentliche Aufnahmen von dem in Trümmern liegenden Gebäude. Der Leiter des Präsidialamts, Andrij Jermak, zeigte sich entsetzt: "Russen sind Terroristen, die bestraft werden für alles. Alle – ohne Ausnahme." Er sagte, dass die Flugabwehr und Luftstreitkräfte ihre Arbeit erledigten. "Wir werden zurückschlagen." Der Feind ändere seine Taktik nicht und setze seine Schläge gegen die zivile Infrastruktur fort.
Luftalarm im ganzen Land
Der Angriff auf das im zentralukrainischen Gebiet Dnipropetrowsk gelegene Dnipro war der folgenreichste von mehreren Angriffen am Samstag. Im ganzen Land galt zeitweise Luftalarm. Es war der erste russische Großangriff dieser Art seit dem Jahreswechsel. Nach Angaben der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform kamen abseits des Angriffs auf das Wohnhaus landesweit mindestens 26 Zivilisten ums Leben, mehr als 80 wurden demnach verletzt. Die Führung in Kiew verurteilte die Angriffe scharf und sprach einmal mehr von "russischem Terror".
Russlands Verteidigungsministerium äußerte sich nicht zu den vielen zivilen Opfern. Stattdessen sagte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow am Sonntag mit Blick auf die jüngsten Angriffe lediglich: "Alle ausgewiesenen Objekte wurden getroffen. Das Ziel des Schlags wurde erreicht." Unklar blieb die Lage im besonders umkämpften Soledar und Bachmut im Osten der Ukraine.
Putin spricht von „positivem Trend"
Moskau erklärte, es seien Geländegewinne im Raum Bachmut gelungen, russische Soldaten näherten sich den nördlichen Vororten der Stadt. Präsident Wladimir Putin zeigte sich zufrieden und sprach von einem „positiven Trend". "Ich hoffe, unsere Kämpfer werden uns mit mehr Ergebnissen ihrer Gefechte erfreuen", sagte er im Sender Rossija 1. Alles laufe nach Plan.
"Die russischen Streitkräfte haben keine Angriffe auf Wohngebäude oder Einrichtungen der sozialen Infrastruktur durchgeführt. Militärische Ziele – sowohl offensichtliche als auch verdeckte – wurden angegriffen", behauptete der russische Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Montag. Er sprach davon, dass die Tragödie durch einen ukrainischen Gegenangriff der Luftabwehr verursacht worden sei.
Soldaten bei Explosion in Kaserne in Russland getötet
Infolge einer schweren Explosion wurden unterdessen in einer Kaserne in der westrussischen Region Belgorod drei Soldaten getötet und 16 weitere verletzt. Acht weitere Männer werden laut russischen Medien seit dem Vorfall, der sich bereits am Samstag in der an die Ukraine grenzenden Region ereignete, vermisst.
Den Angaben zufolge hatte ein Unteroffizier versehentlich eine Handgranate zur Detonation gebracht, woraufhin in dem Gebäude ein Feuer ausbrach. Er selbst erlitt schwere Verletzungen und wurde in ein Krankenhaus gebracht, meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf Rettungsdienste. Das Internetportal Baza wiederum berichtete, der Mann habe in einem zum Militärquartier umfunktionierten Kulturzentrum unweit der Stadt Korotscha mit der Granate hantiert, um sich vor ihm unterstellten Militärangehörigen Autorität zu verschaffen.
Die Ukraine sollte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zufolge mit den Waffen ausgestattet werden, die sie brauche, um zu gewinnen. "Wir sind in einer entscheidenden Phase des Krieges", sagt er dem deutschen "Handelsblatt". Militärische Unterstützung sei der schnellste Weg zum Frieden. "Die jüngsten Zusagen für schweres Kriegsgerät sind wichtig - und ich erwarte schon in naher Zukunft mehr."
Mit einer Normalisierung des Verhältnisses zu Russland rechnet er auch nach einem Ende des Krieges nicht, zumindest so lange Präsident Wladimir Putin im Amt sei. Putin wolle ein anderes Europa. "Er will ein Europa, in dem er Nachbarn kontrollieren kann. Demokratie und Freiheit betrachtet er als eine Bedrohung für sein Regime." (TT.com, APA, dpa, Reuters)
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