Bundeskanzler Nehammer sagt Georgien Unterstützung zu
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat Georgien bei einem Besuch am Montag Unterstützung bei der EU-Annäherung zugesagt. Der Prozess sei nicht einfach, "aber es lohnt sich, die Anstrengungen zu intensivieren", sagte Nehammer bei einem Treffen mit dem georgischen Regierungschef Irakli Garibaschwili in Tiflis. Zugleich zeigte Nehammer Verständnis für den vorsichtigen Kurs der georgischen Regierung gegenüber Russland.
Tiflis hat den russischen Angriff auf die Ukraine zwar verurteilt, beteiligt sich aber nicht an den westlichen Sanktionen gegen Russland. Georgien befinde sich in einer besonderen geopolitischen Lage, "georgisches Territorium ist besetzt, russische Soldaten stehen im Land, das bringt es mit sich, dass die Politik anders ist", sagte der Bundeskanzler bei einem gemeinsamen Pressestatement. Dennoch sei er froh, dass das Land die Finanzsanktionen gegen Russland unterstütze. "Die Politik ist die Kunst des Möglichen. Auf diesem Korridor bewegt sich die georgische Regierung", so Nehammer.
Der Krieg in der Ukraine sei eine besondere Herausforderung für Georgien, meinte auch Garibaschwili. 20 Prozent des georgischen Territoriums seien von Russland okkupiert, weshalb die Regierung eine "vernünftige Politik" verfolge, um den Frieden zu wahren. Der georgische Regierungschef dankte Nehammer für die Unterstützung Georgiens bei der EU-Annäherung. Die von der EU gestellten zwölf Bedingungen habe Georgien bereits großteils erfüllt. Zur Erfüllung der Forderungen nach einem Ende der politischen Polarisierung müsse auch die Opposition beitragen, so Garibaschwili.
Die frühere Sowjetrepublik bemüht sich seit Jahren um eine EU-Annäherung, anders als die Ukraine und Moldau hat das Land am Schwarzen Meer aber im vergangenen Sommer keinen Kandidatenstatus bekommen. Grund dafür sind von der EU bemängelte Rückschritte bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die starke Polarisierung im Land. Unversöhnlich gegenüber stehen sich die Regierungspartei "Georgischer Traum", die weiter vom Ex-Premier und Oligarchen Bidsina Iwanischwili dominiert wird, und die Opposition, allen voran die Vereinte Nationale Bewegung (UNM). Der Prozess zeige, dass es für alle Beitrittskandidaten die gleichen Bedingungen geben müsse, betonte Nehammer: "Es darf keine Abkürzungen geben".
Thema des Gesprächs sei auch die Inhaftierung des früheren Präsidenten Michail Saakaschwili gewesen, berichtete Nehammer im Anschluss mitreisenden Journalisten. Garibaschwili habe ihm gegenüber erklärt, dass dem gesundheitlich schwer angeschlagenen Saakaschwili eine Behandlung durch ausländische Ärzte angeboten worden sei, dieser aber abgelehnt habe, weil er auf eine Behandlung im Ausland bestehe. Angesichts der unterschiedlichen Darstellungen sei "Transparenz" nötig, forderte der Bundeskanzler und sprach sich dafür aus, dass eine Delegation der EU Zugang zu dem Inhaftierten erhält.
Saakaschwili war 2018 in Abwesenheit wegen Amtsmissbrauch in seiner Präsidentschaft von 2004 bis 2013 verurteilt worden. Seine politischen Unterstützer und die EU sprechen von einem politischen Urteil. 2021 wurde er nach seiner Rückkehr nach Georgien festgenommen. Zuletzt hat sich sein Gesundheitszustand stark verschlechtert.
Beide Regierungschefs waren sich einig, dass Georgien für Österreich ein interessanter Wirtschaftspartner ist. Garibaschwili warb um österreichische Investitionen in den Tourismussektor in Georgien. Auch bei der Energiegewinnung sei Georgien "ein hochinteressanter Markt für Österreich", meinte Nehammer.
Im Anschluss an das Treffen mit Garibaschwili besuchte Nehammer die Trennlinie zur abtrünnigen Region Südossetien, die wie die georgische Region Abchasien seit einem Kurzkrieg im Jahr 2008 von Russland besetzt wird. Die "Grenzlinie" zur abtrünnigen Region Südossetien, in der russische Truppen stationiert sind, ist nur rund 50 Kilometer von der georgischen Hauptstadt Tiflis entfernt. Vor seiner Rückkehr nach Wien kam der Bundeskanzler am Abend auch noch mit der georgischen Staatspräsidentin Salome Surabischwili zusammen.