Münchner Kammerspiele

Hier kaspert der Bestatter: Gerhard Polts „A scheene Leich" in München

Gerhard Polt unterrichtet im Stück „A scheene Leich“ an den Münchner Kammerspielen Nachwuchskräfte in Urnen-Unterarten.
© M. Korbel

Mit Sicherheit auch künftig restlos ausverkauft: Gerhard Polt und die Well-Brüder mit „A scheene Leich“ an den Münchner Kammerspielen.

München – Ein Fremdkörper ist am Samstag im Schauspielhaus der Münchner Kammerspiele gelandet, eigentlich fast schon ein Meteorit. Denn wirklich nichts wirkt seit Beginn der Intendanz von Barbara Mundel dort derart deplatziert. Und dies ist ganz wertfrei gemeint! Unlängst konnte man etwa beim Stück „Joy 2022“ noch erleben, wie sich ein freundlicher älterer Herr an einem Anal-Plug erfreut und anschließend berichtet, er sei im Hauptberuf Kraftfahrer und außerdem im Bereich von nachhaltigem Tourismus unterwegs. Ein anderer Abend führte westliche Museumsleute vor, die sich afrikanische Kunst angeeignet haben. Das gelang durch eine Dauer-Live-Schalte nach Westafrika und den Einsatz von Puppen durchaus charmant und sinnlich, intellektuell jedoch herrschte ein simples Freund-Feind-Schema. Auch sonst zeigen die Kammerspiele, wie wohl kein anderes Haus im deutschsprachigen Raum, meist, wie man heutzutage wokes, fluides, anti-kolonialistisches Theater macht. Was man immer davon halten mag (häufig ist das Problem mangelnde Komplexität), jedenfalls ist die Auslastung – so der Lokalaugenschein des Rezensenten – recht verheerend. Ganz anders jetzt bei „A scheene Leich“. Da entstehen anfangs noch ein paar Probleme, weil einfach zu viele – alle! – Plätze gebucht sind, und so wird auf der Suche nach dem richtigen Sitzplatz eifrig herumgestolpert.

Und dann geht es endlich los, mit einem Stück über Endlichkeit und einem seit Jahrzehnten bekannten Team. Gerhard Polt, unlängst 80 geworden, und die Well-Brüder widmen sich einer „Erblastkomödie“, wie das Werk im Untertitel heißt. Mit dabei sind u. a. der wunderbare Schauspieler Stefan Merki, ein Laienchor sowie – als Regisseur – Ruedi Häusermann, der eigentlich selber gern zauberhaft skurrile Theaterabende kreiert, sich hier jedoch gleichsam unterordnet und das eingespielte Team behutsam arrangiert. Die Geschichte ist simpel, ein eher zynischer Bestatter (Polt) stirbt und nun soll ihm eine „scheene“ Leich, also ein würdiges, aber auch lustiges – und alkoholgesättigtes – Begräbnis ausgerichtet werden. Der Ausrichter (Polt) unterrichtet gerne Nachwuchskräfte über die diversen Urnen-Unterarten oder den Umgang mit den Resten aus dem Krematorium. Wehe, man verwechselt da die Überbleibsel verschiedener Toter!

Es wird viel umgebaut auf der Bühne und bei den Well-Brüdern, die wieder einmal von urbayerischer Blasmusik bis zu exotisch schnaubenden Instrumenten virtuos wechseln. Die Witwe des Verstorbenen rauscht herein und streitet sich mit einem Anwalt. Der Pfarrer (Polt) sinniert ein wenig vor sich und rezitiert gegen Ende wütend apokalyptische Bibeltexte, was zum erst allmählichen, dann immer rascheren Davonschleichen der Trauergemeinde führt.

Etliches zündet, manches klappert (noch), anderes bleibt ein bisserl matt. Vor allem der Laienchor wird weniger in Sachen Musik, sondern darstellerisch seinem Namen durchaus gerecht. Egal, die Premieren-Gemeinde jubelt und alle bisher angesetzten Vorstellungen sind restlos ausverkauft. Und dieser Abend steht ja auch für eine lange Tradition, für ein ganzes Bündel in Erinnerung bleibender Produktionen, die Polt und die Wells (über die Jahre in wechselnder Besetzung) in München realisierten. Solch ein großes, großartiges Erbe belastet freilich schon zu Lebzeiten ... Schwamm drüber und, wie es Gerhard Polt formuliert, das Wichtigste ist, dass jeder beim Begräbnis eine frische Halbe bekommt!