Regierung beschließt Aus: Alle Covid-Maßnahmen mit spätestens 30. Juni zu Ende
Fast genau drei Jahre nach Beginn der Pandemie in Österreich beschloss die Bundesregierung das endgültige Aus für sämtliche Corona-Maßnahmen mit Ende Juni. Mit 30. April soll bereits die Maskenpflicht in Spitälern enden.
Wien – Die Regierung hat am Mittwoch im Ministerrat den Fahrplan für das Ende der Corona-Maßnahmen beschlossen - rund drei Jahre nach den ersten bestätigten Fällen in Österreich. Stufenweise sollen bis zum Sommer die Regelungen auslaufen, ab 30. Juni soll wieder "Normalbetrieb" herrschen. Die Maskenpflicht in Spitälern und Pflegeheimen soll mit 30. April enden. "Die Pandemie geht, das Virus bleibt, und wir werden damit umgehen können", sagte Minister Johannes Rauch (Grüne).
Man habe im Ministerrat den "historischen Beschluss" gefasst, die Weichen zu stellen, um mit 30. Juni aus einem Modus herauszukommen, "der uns jetzt drei Jahre begleitet hat" und "der uns viel abverlangt hat", betonte der Gesundheitsminister im Pressefoyer nach der Regierungssitzung, das für sich selbst auch ein wenig historisch war. Die Regierungs-Pressekonferenz fand nämlich erstmals im neuen Medienraum des frisch renovierten Parlamentsgebäudes statt, denn die Koalition hatte den Ministerrat am Mittwoch nach alter Tradition an Plenartagen im Hohen Haus und nicht wie sonst im Kanzleramt abgehalten.
"Die Pandemie geht, das Virus bleibt, und wir werden damit umgehen können", versicherte Rauch. "Raus aus dem Krisenmodus" lautete nun die Devise, es solle einen geordneten Übergang geben, versprach der Minister. Basis für die Entscheidung sei die Wissenschaft. Man gehe nicht davon aus, dass es zu einer neuerlichen Verschärfung der Corona-Situation komme. Die Immunität in der Bevölkerung sei hoch, verwies Rauch etwa darauf, dass drei Viertel der Bevölkerung geimpft seien.
Maskenpflicht in Spitälern endet bereits am 30. April
In vulnerablen Bereichen wie Spitälern, Arztpraxen oder Pflegeheimen besteht derzeit noch Maskenpflicht. Sie soll mit 30. April enden, ebenso wie die Risikogruppenfreistellung. Mit 30. Juni soll SARS-CoV-2 dann keine meldepflichtige Krankheit mehr sein, es endet damit auch die derzeit noch gültige Verkehrsbeschränkung für positiv getestete Menschen. Aktuell müssen Infizierte zwar nicht in Quarantäne, sind aber zum Tragen einer FFP2-Maske in Innenräumen und auch im Freien bei engem Kontakt zu anderen Menschen verpflichtet. Sämtliche Corona-Krisenstäbe und Gremien sollen aufgelöst werden.
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Impfungen, Tests und die Abgabe von COVID-19-Medikamenten sollen kostenlos bleiben, aber in die regulären Strukturen des Gesundheitssystems überführt werden, und dazu sind Gespräche mit den Bundesländern und der Sozialversicherung nötig. Medikamente werden von der Sozialversicherung bezahlt, bei Impfungen sollen die Kosten zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen geteilt werden. Kranke mit Symptomen und Risikopatienten sollen sich weiterhin gratis testen lassen können. Die Impfzentren werden abgebaut.
Covid-Maßnahmengesetz wird abgeschafft
Das Ende der Krisenmaßnahmen müsse "sorgfältig vorbereitet" sein, erklärte Rauch den Zeitplan. Das Covid-Maßnahmengesetz soll ebenso aufgehoben werden wie sämtliche Corona-Verordnungen, zudem seien Änderungen des Epidemiegesetzes und der Verordnung über meldepflichtige Krankheiten notwendig. Der Minister betonte, dass man dabei – im Gegensatz zu den schnellen Beschlüssen in der Pandemie – "zum ordentlichen parlamentarischen Modus" zurückkehren werde, es also auch Begutachtungsverfahren geben werde. Dies sei eine demokratiepolitische Notwendigkeit, befand Rauch.
Mit den Bundesländern sei "natürlich" Kontakt aufgenommen worden, sagte Rauch auf entsprechende Fragen. Wien war ja stets strenger vorgegangen als der Rest des Landes.
Letzte "Wachtürme" bleiben
Auch nach dem Ende der Corona-Meldepflicht soll es in Österreich jedenfalls einen Überblick über den Verlauf der Pandemie geben. "Wir haben Wachtürme aufgestellt", unterstrich Rauch. Es handelt sich dabei um einen "Mix" aus der Auswertung des Abwassers aus Kläranlagen und der Analyse von PCR-Proben. Das Abwassermonitoring wurde dabei so ausgebaut, dass laut Gesundheitsministerium deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung abgedeckt wird.
Parallel dazu arbeitet das Gesundheitsministerium an einer grundlegenden Neufassung des Epidemiegesetzes. Rauch will dabei alle betroffenen Interessensgruppen einbinden, was noch in diesem Jahr erfolgen soll. Ziel ist es, einen Gesetzesentwurf für ein neues Epidemiegesetz Ende des Jahres in Begutachtung zu schicken. Ein "Pandemieplan" soll heuer im Herbst vorliegen. Dieser soll den Umgang mit den verschiedenen Phasen einer Pandemie darstellen.
Edtstadler: Nicht alles perfekt gelaufen, aber Lehren für Zukunft
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hob hervor, dass man aus der Corona-Pandemie Lehren für die Zukunft ziehen wolle. Auch räumte sie durchaus Fehler der Regierung ein. "Es ist sicherlich ist nicht alles perfekt gelaufen." Doch "jeder hat zu jedem Zeitpunkt nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt", nahm sie für die Regierung auch in Anspruch. Die Entscheidungen seien faktenbasiert getroffen worden, und im Hinblick darauf, dass der Verfassungsgerichtshof Regelungen wieder aufgehoben habe, sei sie dankbar, dass das ausgewogene System mit höchstgerichtlicher Kontrolle der Grundrechte zu jedem Zeitpunkt sichergestellt gewesen sei.
Viele Menschen hätten Angst gehabt und Maßnahmen der Regierung hinterfragt, und da wünsche sie sich, dass man mehr Halt hätte geben können, doch insgesamt, so betonte Edtstadler, sei man gut durch diese Krise gekommen. "Das Ende der Pandemie ist da", und sie hoffe, dass man dieses Kapital, das als harte Prüfung in die Geschichte eingehen werde, nun schließen könne.
Schub für Digitalisierung, etwa auch in Justiz
Den einen oder anderen positiven Aspekt der Krise, die auch einen Digitalisierungsschub gebracht hat, will man auch beibehalten und ins Dauerrecht überführen, wie Edtstadler ankündigte. Dazu gehört im Justizbereich etwa die Möglichkeit von Videoverhandlungen im Verwaltungsgericht. Edstadler betonte, dass der Grundsatz des fairen Verfahrens stets berücksichtigt werde.
Rauch meinte auf entsprechende Nachfragen, dass seiner Meinung "die Schulschließungen ein Fehler waren", denn man habe Kinder verloren, die das Bildungsdefizit nicht mehr wettmachen könnten. Diese Risikoabwägung werde künftig anders getroffen werden, sagte Rauch. "Selbstverständlich wurden kommunikativ auch Fehler gemacht", da schließe er sich auch selbst nicht aus. Nicht schlechtreden lassen will sich der Minister hingegen die Impfung, für die er einmal mehr eine Lanze brach: Die Impfung schütze bis heute davor, an Covid zu sterben, auf der Intensivstation zu landen oder Long Covid zu bekommen. Explizit dankte Rauch dem Gesundheitspersonal für die Bewältigung der Pandemie.
FPÖ spottet, Sozialversicherung erleichtert
Das von der Regierung angekündigte Ende der Coronamaßnahmen wurde erwartungsgemäß von blauem Spott begleitet. FPÖ-Chef Herbert Kickl macht sich via Aussendung vor allem über die Ankündigung eines "Fahrplans" lustig.
"Dieses 'Herumgemurkse' im Umgang mit Corona nimmt kein Ende", konstatierte Kickl in einer Aussendung. Zum angekündigten "Fahrplan" meinte er: "Der grüne Minister (Johannes, Anm.) Rauch mit seiner Maßnahmen-Truppe hat wohl noch nicht bemerkt, dass der Zug bereits abgefahren ist, und er allein am Bahnsteig steht." Man hätte auch die aktuellen Sitzungen des Nationalrates dazu nützen können, den "unseligen Spuk der Corona-Gesetze zu beenden".
Erleichterung zeigte die Sozialversicherung. Das Auslaufen der Coronagesetze und damit das offizielle "Ende der Pandemie" sei nicht nur langersehnt, sondern bringe mit der Rückkehr zur Normalität viele neue Aufgaben für das Gesundheitssystem, sagte Peter Lehner, Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger. "Es hat uns nicht nur die Corona-Krise gefordert, die Aus- und Nachwirkungen müssen jetzt konsequent gemanagt werden."
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Wien berät kommende Woche
Wien entscheidet erst frühestens kommende Woche, wie man mit den Corona-Maßnahmen weiter vorgeht. Da werde man wie üblich entsprechende Gespräche mit Experten führen. Jedenfalls bleibt die Maskenpflicht in den öffentlichen Verkehrsmitteln und Apotheken bis Ende Februar bestehen. Denn bis dahin läuft die geltende Verordnung. Diese könnte dann verlängert, aber auch modifiziert werden.
Wie ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) auf APA-Anfrage betonte, gelte es nun, das vom Bund verkündete Ende der Corona-Maßnahmen mit Mitte des Jahres vorzubereiten. Dabei geht es etwa darum, wie künftig die Tests und Impfungen abgewickelt werden. Dazu soll es Gespräche mit den Interessensvertretungen wie Ärzten und Sozialversicherung geben. Schon morgen treffen sich zu diesen Themen die Landesgesundheitsreferenten.
Für Hacker sei der Zeitpunkt richtig, sich auf das Pandemie-Ende vorzubereiten, wie er im Ö1-"Abendjournal" klar machte: "Es ist überhaupt gar keine Frage, wir sehen im Augenblick keine besorgniserregende Variante auf der ganzen Welt, das ist gut so." Wenn dies so bleibt, gebe es "gar keinen Grund, weiter bei den strengen Spielregeln zu bleiben", so Hacker.
Kritik am Zeitplan
Zu langsam geht es hingegen dem Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Es gebe "epidemiologische keine wirklich gute Begründung mehr, wieso man die Maskenpflicht in Pflegeheimen, Spitälern und anderen Bereichen noch aufrecht erhalten soll", so Wallner gegenüber Ö1: "Unserer Meinung nach, muss das sofort abgeschafft werden." Es habe in der Pandemie Zeiten gegeben, da sei rasch entschieden worden – "das ist jetzt auch notwendig". In Grundrechte einzugreifen, sei keine Kleinigkeit. Es werde "höchste Zeit, dass wir zur Normalität hinüberwechseln".
Auch Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp hatte in einer Aussendung die sofortige Abschaffung aller bestehenden Corona-Maßnahmen in der Bundeshauptstadt gefordert. Trotz der nur noch in Wien geltenden Maßnahmen wie Maskenpflicht habe man mit Abstand die höchste Zahl an Covid-Neuinfektionen, meint Nepp einen "Holzweg" von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zu erkennen. (TT.com, APA)