Krieg in der Ukraine

Ukrainische Ortschaft Bachmut laut Moskau von russischen Truppen umzingelt

Ein Einschussloch in einer Glasscheibe in Bachmut. Seit Monaten wird die Stadt hart umkämpft.
© Anatolii Stepanov / AFP

Die ukrainische Führung erwartet eine neue russische Offensive und bis zum Frühling die schwersten Gefechte seit Kriegsbeginn.

Kiew, Moskau – Russische Streitkräfte versuchen nach Angaben Moskaus die Kontrolle über die Ortschaft Bachmut in der Ostukraine zu bekommen. "Bachmut ist jetzt operativ umzingelt, unsere Streitkräfte schließen den Ring um die Stadt", sagte Jan Gagin, Berater des von Russland eingesetzten Regierungschefs Denis Puschilin, am Mittwoch. Die ukrainische Führung erwartet unterdessen eine neue russische Offensive und in deren Folge bis zum Frühling die schwersten Gefechte seit Kriegsbeginn.

Derzeit werde bei Bachmut um die Kontrolle der Autobahn gekämpft, die die Stadt mit der nahegelegenen Ortschaft Tschasiw Jar verbindet, erklärte Gagin. Russland hat erklärt, mehrere Orte rund um Bachmut unter seine Kontrolle gebracht zu haben. Dort führen seine Truppen und Söldner der Wagner-Gruppe seit Monaten einen Zermürbungskampf.

Höhepunkt der Offensive noch nicht erreicht

Nach Einschätzung des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) setzt Russland im Kampf um Bachmut unterdessen verstärkt auf konventionelle Streitkräfte. Die Offensive um die Kleinstadt, die bisher von der russischen Privatarmee Wagner geführt worden war, habe damit ihren Höhepunkt noch nicht erreicht, schrieb die in Washington ansässige Denkfabrik in ihrem jüngsten Bericht am Dienstagabend (Ortszeit).

Eine frühere Einschätzung der Denkfabrik von Ende Dezember, wonach der Höhepunkt bei den Kämpfen in Bachmut bereits erreicht sei, habe sich als unzutreffend erwiesen, hieß es weiter. Diese habe sich nur auf den Einsatz der Privatarmee Wagner bezogen. Seither habe die russische Seite aber genügend konventionelle Kräfte eingesetzt, um die Kämpfe aufrecht zu erhalten.

Die Denkfabrik bezieht sich in ihren Aussagen unter anderem auf ukrainische Militärangaben. Das Institut gibt keine Prognose dazu, ob Bachmut in Kürze an die russischen Streitkräfte fallen werde. Es sei unwahrscheinlich, dass russische Kräfte die Stadt überraschend einkesseln würden. Denkbar sei aber, dass die ukrainische Seite sich zurückziehen könnte, um hohe Verluste zu vermeiden.

Eine Neuaufstellung in Bachmut könnte nach Einschätzung des Instituts bedeuten, dass konventionelle russische Streitkräfte die kampfmüde Privatarmee Wagner völlig ersetzen, auch in der Annahme, russische konventionelle Kräfte könnten die Stadt letztlich einnehmen.

Schwersten Gefechte seit Kriegsbeginn erwartet

Die ukrainische Führung erwartet unterdessen eine neue russische Offensive und in deren Folge bis zum Frühling die schwersten Gefechte seit Kriegsbeginn. "Wir haben einen langen schweren Weg hinter uns, doch ich verstehe, dass die wichtigsten Kämpfe noch bevorstehen und in diesem Jahr, in den nächsten zwei bis drei Monaten stattfinden werden", sagte der Sekretär des nationalen Sicherheitsrates in der Ukraine, Olexij Danilow, in einem am Mittwoch ausgestrahlten Interview.

Das seien die entscheidenden Monate des Kriegs, prognostizierte er im britischen Fernsehsender Sky News. Danilow schloss den Beginn einer russischen Offensive in den nächsten zwei bis drei Wochen nicht aus. "Russland bereitet sich auf die maximale Eskalation vor", sagte der 60-Jährige. Neue Einheiten würden konzentriert und trainiert. Danilow schätzt die Zahl der in der Ukraine kämpfenden Soldaten auf etwa 320.000. Etwa die Hälfte davon könnte an der neuen Offensive teilnehmen, warnte er.

Angriffe auf Cherson sollen Moral schwächen

Anhaltende russischen Angriffe auf die südukrainische Stadt Cherson dürften unterdessen nach Einschätzung britischer Geheimdienste auf die Schwächung der ukrainischen Moral abzielen. Außerdem sollten damit wohl ukrainische Gegenangriffe über den Fluss Dnipro abgehalten werden, hieß es am Mittwoch im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums. Letztlich sei jedoch unklar, weshalb Moskau ausgerechnet in Cherson seine strapazierten Munitionsvorräte verbrauche. Cherson sei außerhalb der Donbass-Region die am häufigsten beschossene ukrainische Großstadt.

Vor wenigen Tagen waren in Cherson örtlichen Behördenangaben zufolge bei einem russischen Angriff drei Menschen getötet worden. Getroffen wurde demnach unter anderem ein Klinikgebäude.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar vergangenen Jahres unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor. (APA/dpa/Reuters)

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