Beteuerung und Bombenhagel in der Ukraine
Während sich europäische Spitzenpolitiker in Kiew die Klinke in die Hand geben, um ihre Unterstützung für die Ukraine kundzutun, geht das Sterben abseits der Hauptstadt weiter.
Kiew – Bevor Ratspräsident Charles Michel als Repräsentant der 27 EU-Staats- und Regierungschefs heute zum EU-Ukraine-Gipfel in Kiew eintrifft, hat die EU-Kommission schon am gestrigen Donnerstag ein starkes Signal der Solidarität mit der Ukraine gesetzt. Kommissionschefin Ursula von der Leyen brachte bei ihrem mittlerweile vierten Besuch in der ukrainischen Hauptstadt gleich 15 ihrer Kommissarinnen und Kommissare mit.
Was darf sich die Ukraine von der EU in nächster Zeit erwarten? Von der Leyen hat der Ukraine am Donnerstag weitere Hilfen beim Wiederaufbau der von Russland zerstörten Energie-Infrastruktur zugesagt. Gemeinsam mit der Europäischen Energiegemeinschaft werde man mehr als 150 Millionen Euro für den Einkauf wichtiger Technik zur Verfügung stellen, sagte sie bei der Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Die Ukraine sei eingeladen, sich an der EU-Plattform zum gemeinsamen Gaseinkauf zu beteiligen. Selenskyj sagte, es seien auch Möglichkeiten für eine Erhöhung des Stromimports aus der EU diskutiert worden.
Bis spätestens zum 1. Jahrestag der russischen Invasion am 24. Februar soll das zehnte Sanktionspaket fertig geschnürt sein. Es wird u. a. neue Einreise- und Vermögenssperren für Verantwortliche in Russland und dem verbündeten Belarus enthalten.
Um Russland für den Krieg gegen die Ukraine zur Verantwortung zu ziehen, werde am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ein Zentrum für Beweismittel eingerichtet, sagte von der Leyen: „Russland muss für seine Verbrechen vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werden.“
Die Ukraine hofft heute auf ein Signal für einen raschen EU-Beitritt. Ist das realistisch? Die Ukraine drängt darauf, schon 2025 Mitglied der EU zu werden. Realistisch ist dies nicht. Selbst wenn das Land beim Kampf gegen Korruption aufs Gas drückt, es sind noch sehr viel mehr Bedingungen zu erfüllen und davon ist man in der Ukraine weit entfernt. Vor zwei Wochen ließ sich Ratspräsident Michel im ukrainischen Parlament zu der Aussage hinreißen, dass die Frage der EU-Mitgliedschaft beantwortet sei: „Wir dürfen keine Mühen scheuen, um dieses Versprechen so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen.“ Heute wird er der Euphorie wohl einen Dämpfer versetzen müssen. Selbst für den Start der Beitrittsverhandlungen gibt es bisher kein grünes Licht von den EU-Staaten. Und die hat Michel in Kiew zu vertreten.
Was tut sich abseits der Hauptstadt? Die Ukraine wirft den russischen Streitkräften vor, wahllos zivile Infrastruktur zu beschießen, was die Regierung in Moskau zurückweist. Dies sei aber die tägliche Realität, schrieb Selenskyj gestern auf Telegram. Tatsächlich wurden bei einem Raketeneinschlag in ein Wohnhaus in Kramatorsk in der Nacht auf Donnerstag mindestens drei Menschen getötet und 20 verletzt. Auf einem Foto der Nachrichtenagentur AFP sind die Beine einer toten Frau in den Trümmern zu sehen. „Acht Wohnhäuser wurden beschädigt, eines davon vollständig zerstört“, meldete die Polizei.
Wie reagiert Österreich auf Forderungen, man solle bei der Entminung und bei der Drohnenabwehr helfen? Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) meinte dazu am Donnerstag: „Ich kann mir durchaus eine Unterstützung bei der Entminung durch unser Bundesheer vorstellen, allerdings erst nach Ende des Krieges, alles andere würde dem Verfassungsrecht widersprechen.“ Hilfe bei der Drohnenabwehr sei unmöglich. Selenskyj hatte beim Besuch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Mittwoch diese Bitte vorgebracht.
Zum Abschluss seiner Ukraine-Reise hat Van der Bellen am Donnerstag das vom Roten Kreuz (ÖRK) unterstützte medizinische Hilfsprojekt in Uschhorod an der Grenze zur Slowakei besucht. (APA, sta)