Gartner bis zur Hauptversammlung interimistisch ÖFB-Präsident
Graz - Der Niederösterreicher Johann Gartner wird in den kommenden Monaten interimistisch als geschäftsführender ÖFB-Präsident fungieren. Darauf hat sich das Präsidium des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB) wie erwartet am Freitagnachmittag in einer Sitzung in Graz verständigt. Der 71-jährige Gartner übernimmt die Geschäfte laut ÖFB-Angaben bis zu einer noch festzulegenden außerordentlichen Bundeshauptversammlung. Ein neuer Präsident dürfte dann im Mai oder Juni gewählt werden.
"Eine meiner wesentlichen Aufgaben sehe ich darin, alle Präsidiumsmitglieder zu besuchen und in Vieraugengesprächen wesentliche Punkte anzusprechen. Ich will gewisse Handlungsweisen besser verstehen", erklärte Gartner nach der gut zweistündigen Sitzung, in der er "Aufbruchsstimmung" gespürt habe. "Ich will das Schiff in ruhige Gewässer führen. Ich sehe mich in meiner Rolle viel mehr als Mediator." Er stehe nur interimistisch zur Verfügung, es gelte nun auch einen Wahlausschuss zu finden. "Es soll im März eine außerordentliche Sitzung geben, um den weiteren Plan zu besprechen und zu fixieren."
Gartner, der betonte, einstimmig - bei eigener Enthaltung - gewählt worden zu sein, folgt auf Gerhard Milletich. Der hatte nach einem Zerwürfnis im Präsidium am Dienstag nach nicht einmal 16 Monaten im Amt seinen Rücktritt als ÖFB-Chef erklärt. Gartner war als Chef des niederösterreichischen Landesverbandes neben Bundesliga-Aufsichtsratschef Philip Thonhofer sowie Gerhard Götschhofer (Landesverband Oberösterreich) und Josef Geisler (Tirol) einer von vier ÖFB-Vizepräsidenten, die als Interimschef infrage gekommen waren. "Ich war von den Vizepräsidenten bereit, diese Funktion zu übernehmen", erklärte Gartner.
"Es herrscht Betroffenheit ob der Situation", gab Gartner an. Eine Situation, die nicht zuletzt durch "Diskussions- und Kommunikationsdefizite" entstanden sei. "Das ist dann aufgebrochen." Der Freitag hätte so manches gelockert. "Durch fehlende Nachbesprechungen hat sich vieles aufgestaut. Mit Fortdauer des Nachmittags konnten wir gewisses aufarbeiten und lösen. Die Gespräche sind dann sehr konstruktiv verlaufen. Wir haben alle wesentlichen Punkte angesprochen", sagte Gartner. Den Grundsatzbeschluss für das neue Trainingszentrum und die neue Geschäftsstelle des ÖFB in Wien-Aspern, den Gartner in seiner Funktion als NÖFV-Chef nicht mitgetragen hatte, darf er jedenfalls nicht rückgängig machen.
Milletich in Amtszeit mit viel Gegenwind
Der ÖFB war in der kurzen Ära Milletich nie zur Ruhe gekommen. Der Burgenländer hatte seit Beginn seiner Amtszeit im Oktober 2021 mit Gegenwind im Präsidium zu kämpfen - allen voran aus Salzburg, Oberösterreich und Tirol. Zuletzt ging ein regelrechter Riss durch das Gremium. "Wir müssen vieles besser machen, um in der Öffentlichkeit besser dazustehen", forderte Gartner. "Wir haben gute Strukturen, aber das Präsidium muss wie ein Aufsichtsrat agieren, entscheiden und abstimmen. Es soll keine Alleingänge geben."
Einen interimistischen Präsidenten hatte der ÖFB zuletzt von November 2008 bis Februar 2009. Damals hatte nach dem Rücktritt von Friedrich Stickler vorübergehend Wiens Verbandschef Kurt Ehrenberger übernommen, ehe Leo Windtner zum neuen ÖFB-Boss gewählt wurde. Milletich war bei der Kür seines Nachfolgers in Graz selbst nicht mehr anwesend. Von den Landesverbandschefs fehlte vor Ort der erkrankte Vorarlberger Horst Lumper, von den drei ebenfalls stimmberechtigten Bundesliga-Vertretern Vorstandschef Christian Ebenbauer.
Ohne Stimmrecht wohnten neben ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel, der Genderbeauftragten Isabel Hochstöger und Bundesliga-Vorstandsmitglied David Reisenauer auch Bernhard Neuhold, der Geschäftsführer der ÖFB Wirtschaftsbetriebe GmbH, und ÖFB-Geschäftsführer Thomas Hollerer der Sitzung bei. Das zerrüttete Verhältnis zwischen Neuhold und Hollerer war in den vergangenen Tagen Gegenstand von Medienspekulationen. Für den neuen Interimspräsidenten dürfte diesbezüglich Handlungsbedarf bestehen. "Auch dieses Thema wurde angesprochen", bestätigte Gartner, ging aber nicht näher ins Detail: "Aus der Distanz will ich das nicht beurteilen, aber ich werde mir das alles näher anschauen."
Hollerer selbst war beim Medientermin nach der Sitzung jedenfalls anwesend. "Ich verweise auf den gleichen Geist, wie er vom Präsidenten erwähnt wurde. Nur der gemeinsame Weg zählt", gab der Jurist zu Protokoll. "Es gibt sehr wenige Tischtücher, die zur Gänze zerschnitten sind. Alle müssen nach vorne schauen. Es geht nur im Team und gemeinsam. Strukturen werden immer von Personen gelebt. Der österreichische Fußball hat an Vertrauen verloren. Wir müssen uns bei vielen Tausenden Ehrenamtlichen entschuldigen." (APA)
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Der ÖFB war in der kurzen Ära Milletich nie zur Ruhe gekommen. Der Burgenländer hatte seit Beginn seiner Amtszeit im Oktober 2021 mit Gegenwind im Präsidium zu kämpfen - allen voran aus Salzburg, Oberösterreich und Tirol. Zuletzt ging ein regelrechter Riss durch das Gremium. "Es gibt nur eine wichtige Sache: zusammenhalten, Zusammenarbeit, sich austauschen", erklärte Salzburgs Landesverbandschef Herbert Hübel vor Sitzungsbeginn in Graz. "Der ÖFB muss geeint werden. Auch eine Verjüngung wäre nicht schlecht."
Gartner ist 71 Jahre alt, ein Langzeit-Funktionär. "Wir müssen Jüngere einbinden, mehr Sportkompetenz hineinbringen", sagte Hübel über das Präsidium. "Diskussion und Austausch sind wichtig, aber wir müssen nach außen besser und ordentlich auftreten und Einigkeit in den Verband bringen. Wir haben eine Vorbildfunktion."
Über die mögliche weitere Sitzungsdauer konnte Hübel keine Angaben machen. "Es wird so lange dauern, bis es eine gute Lösung gibt." Neben Gartner fungierten zuletzt auch noch Bundesliga-Aufsichtsratschef Philip Thonhofer sowie Gerhard Götschhofer (Landesverband Oberösterreich) und Josef Geisler (Tirol) als ÖFB-Vizepräsidenten. "Es geht nicht um uns, sondern um die Sache", betonte Hübel, gemeinsam mit Götschhofer und Geisler einst in klarer Opposition zu Milletich. (APA)