Zerstörung nach Erdbeben

„Die Angst der Menschen ist sehr groß“: Tiroler Caritas-Helfer berichtet aus Aleppo

Inzwischen kommen in Aleppo auch Bagger und schweres Gerät zum Einsatz.
© APA/AFP

Andreas Knapp, Caritas-Generalsekretär für Auslandshilfe, ist am Freitag in die syrische Stadt gereist, die schwer von dem Erdbeben getroffen worden ist. Noch besteht eine Resthoffnung, dass Menschen lebend geborgen werden können.

Aleppo – Während die Zahl der Opfer nach dem schweren Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet bereits auf mehr als 22.000 gestiegen ist, schwindet die Hoffnung auf Überlebende immer mehr. Andreas Knapp, Caritas-Generalsekretär für Auslandshilfe, reiste am Freitag ins Krisengebiet nach Aleppo. Im Gespräch mit der APA berichtete er von einem „Wechselbad der Gefühle“ in der von der syrischen Regierung kontrollierten Stadt. „Die Angst der Menschen ist sehr groß“, sagte Knapp.

Am Freitag hatten die USA angekündigt, die Sanktionen gegen Syrien zu lockern. Das gibt der Bevölkerung Hoffnung, ebenso das bessere Wetter, „es schneit und regnet nicht mehr“, schilderte der Vorstandsvorsitzender der Stiftung Nachbar in Not und Generalsekretär für Internationale Programme der Caritas Österreich. Er war über Beirut in das Bürgerkriegsland gereist.

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Schon bei der Fahrt in die Stadt säumten ausgebombte Häuser die Autobahn. In Aleppo selbst habe er sich die Zerstörung rein visuell größer vorgestellt, dennoch ist „praktisch jedes dritte Haus beschädigt“. Mehrere Gebäude in der Stadt sind auch völlig zusammengebrochen.

Die öffentlichen Flächen sind überfüllt, die Parks sind voll, auf den Bänken liegen Kinder und alte Menschen.
Andreas Knapp, Caritas-Generalsekretär für Auslandshilfe

Inzwischen sind laut Knapp internationale Rettungskräfte im Einsatz, „es wird mit Baggern und schwerem Gerät gearbeitet“, berichtete der Tiroler, der 2017 bis 2018 bereits die UNICEF-Wasserprogramme in Syrien geleitet hatte. „Es besteht eine gewisse Resthoffnung, dass man Menschen noch lebend bergen kann“, schilderte er. Caritas-Mitarbeiter hätten ihm auch bestätigt, dass es einen Stimmungsumschwung gegen habe. Insbesondere die Lockerung der Sanktionen mache Hoffnung, dass Medikamente und lebensnotwendige Güter leichter ins Land gelangen. Außerdem laufe die Hilfe sichtbar an, Notunterkünfte wurden aufgestellt, Nahrungsmittel verteilt.

Auf den Friedhöfen wurden bereits viele Erdbebenopfer begraben.
© APA/AFP/BAKR ALKASEM

Doch die Angst der Menschen und Unsicherheit ist weiter groß. Sie harren bei bitterkalten Temperaturen im Freien aus. „Die öffentlichen Flächen sind überfüllt, die Parks sind voll, auf den Bänken liegen Kinder und alte Menschen“, berichtete Knapp. Vor allem am Abend werde es in den Notunterkünften eng. „Viele Menschen trauen sich nicht in ihre Häuser zurück, erst am Donnerstagnachmittag ist ein Gebäude zusammengestürzt, wo jeder extrem überrascht war“, berichtete Knapp.

Es gibt extrem viele Häuser, wo man einfach nicht weiß, wie sicher die noch sind.
Andreas Knapp, Caritas-Generalsekretär für Auslandshilfe

Bei den eng gebauten Stadthäusern wird ein Dominoeffekt befürchtet, dass ganze Häuserzeilen im Fall des Falles einstürzen. Die Gebäude sollen so rasch wie möglich statisch geprüft werden, hatte die Regierung angekündigt. „Es gibt extrem viele Häuser, wo man einfach nicht weiß, wie sicher die noch sind“, berichtete Knapp.

Der syrische Präsident Bashar al-Assad (Bildmitte) hat am Freitag das Universitätskrankenhaus von Aleppo besucht.
© APA/AFP

In Syrien war nach Protesten gegen die Regierung 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Assad geht in dem Krieg mit mehr als 350.000 Toten brutal gegen die eigene Bevölkerung vor. Durch den seit zwölf Jahre andauernden Krieg hat die „Bevölkerung für solche Katastrophen weniger Resilienz, die Menschen sind mehrfach geschwächt“, zeigte sich Knapp betroffen. Der Caritas-Helfer und Nachbar in Not-Vorstandsvorsitzender will sich die nächsten Tage einen Überblick über das Ausmaß der Katastrophe verschaffen um ganz konkret „nächste weitere Schritte zu planen“. Die Caritas ist bereits seit den 90er-Jahren in Syrien aktiv und kann auf bestehende Strukturen aufbauen. Gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen ist die Caritas in von der Regierung kontrollierten Gebieten tätig. (APA)