Nach Karas-Vorstoß

Ruf nach Ausnahme-Visa für Erdbebenopfer, Nehammer sagt Nein

Hatay im Süden der Türkei wurde besonders hart vom Erdbeben getroffen. Teile der Provinz liegen in Trümmern.
© AFP/Akgül

Hilfsorganisationen, SPÖ und Grüne fordern temporäre Visa-Lockerungen für Erdbebenopfer. Kanzler Karl Nehammer von der ÖVP ist dagegen und für „Hilfe vor Ort“.

Wien – Deutschland will Erdbebenopfern in der Türkei unbürokratisch Visa erteilen, damit sie bei Angehörigen in Deutschland unterkommen können. Österreich will das hierzulande nicht. Mehrere Hilfsorganisationen machen nun Druck, damit sich das ändert.

Für Erdbebenopfer, die Verwandte ersten und zweiten Grades in Österreich haben, sollen unbürokratisch humanitäre Visa für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten ausgestellt werden, heißt es in dem von Volkshilfe, Diakonie, Caritas, ÖRK, Amnesty und der Allianz „Menschen.Würde.Österreich“ unterzeichneten Appell.

„Viele Menschen in Österreich haben Familienangehörige in der Türkei und in Syrien, die traumatisiert, ohne Obdach und finanzielle Möglichkeiten vor dem Nichts stehen. Diese würden sie gerne vorübergehend bei sich aufnehmen und versorgen. Aufgrund der derzeitigen Visabestimmungen ist eine schnelle und unbürokratische Einreise aber nicht möglich. Wir sind überzeugt, dass es hier viele gute Gründe gibt, die erste ablehnende Reaktion durch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zu überdenken“, erklärten die Organisationen.

Das ist ein guter, umfassender Vorschlag von Othmar Karas, den wir zu Recht begrüßen.
Georg Bürstmayr (Grünen-Nationalratsmandatar)

Die Hilfsorganisationen schließen sich damit der Forderung des Vizepräsidenten des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), an. Auch SPÖ und die mitregierenden Grünen sprechen sich für temporäre Visaerleichterungen aus. Das Innenministerium hat diese Forderung aber bereits abgelehnt. Visaanträge von Erdbebenopfern sollen von den österreichischen Vertretungen zwar raschestmöglich geprüft werden, aber die Kriterien der Vergabe nicht geändert werden, hieß es am Montag.

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Dienstag noch einmal klargestellt, dass Österreich die Visa-Kriterien für Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien nicht ändern wird. Das sei keine „Härte“, sondern „die konsequente Fortsetzung der Politik ‚Hilfe vor Ort‘“, befand er. Es werde ein Aufbauprogramm für die Türkei notwendig sein. Nicht jede „Ankündigung“ sei auch „automatisch effizient“, meinte er zu den deutschen Plänen. Man werde erst sehen, wie das funktioniert. In Österreich habe man sich entschieden, vor Ort zu helfen. So werde auch die Bundesheer-Mission noch eine Zeit lang fortgesetzt.

📽️ Video | Nehammer gegen Visa-Erleichterungen für Erdbeben-Opfer

Der Sicherheits- und Asylsprecher der Grünen, Georg Bürstmayr, sagt gegenüber der Tiroler Tageszeitung: „Das ist ein guter, umfassender Vorschlag von Othmar Karas, den wir zu Recht begrüßen. Ich hoffe, dass hier etwas passiert.“ Gerichtet ist diese Hoffnung an das Innen- und Außenressort des türkisen Regierungspartners. „Da warten wir auf Vorschläge“, konstatiert Bürstmayr.

Ähnlich hatte das zuvor die außenpolitische Sprecherin der Grünen Ewa Ernst-Dziedzic in der Presse formuliert: „Wir unterstützen hier den Vorschlag des Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Othmar Karas, und warten dazu auf Vorschläge aus den zuständigen Ministerien.“ Zudem lasse Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) gerade prüfen, inwieweit Verletzte aus der Türkei und Syrien in österreichischen Spitälern versorgt werden könnten, sagte die außenpolitische Sprecherin der Grünen. „Wenn es uns gelingt, durch Visaerleichterungen Menschen in Europa zu helfen, um sie vor dem Kältetod oder vor dem Hungertod zu bewahren, dann ist es unsere europäische Verpflichtung bei einer Katastrophe von solch einem Ausmaß“, erklärte Ernst-Dziedzic.

Aus dem Innenministerium in Wien hieß es am Montag, die österreichischen Vertretungen, wo die Visa-Anträge zu stellen sind, würden die im gesetzlichen Rahmen bestehenden Möglichkeiten dafür nutzen. Die Prüfung erfolge weiterhin auf Grundlage der bisher geltenden Kriterien.

Für die Einreise nach Österreich aus Syrien oder der Türkei ist laut Innenministerium per Gesetz ein gültiges Visum vorgesehen. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums seien in einem individuellen Verfahren zu prüfen, hieß es weiter.

Österreich hat laut Innenministerium für humanitäre Hilfe nach dem Erdbeben bisher etwa drei Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds bereitgestellt. Auch sei in den vergangenen sieben Jahren mehr als 70.000 Staatsbürgern aus Syrien und der Türkei hierzulande Schutz gewährt worden. (sas, APA)

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