Regierung will „Corona-Trauma aufarbeiten“ und plant „Dialogprozess“ mit Bevölkerung
Kanzler Nehammer und Gesundheitsminister Rauch streben nach den Pandemiejahren eine „Versöhnung“ mit der Gesellschaft an. Sie wollen die „Hand ausstrecken" und rund um Ostern mit Bürger:innen in den Dialog treten – man spricht von einer „kritischen und schonungslosen Analyse“.
Wien – Die Bundesregierung will nach drei Jahren Corona-Pandemie nun die „Hand ausstrecken". Geschehen soll das bei einem „Dialogprozess", der rund um Ostern starten soll, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch vor Journalisten. „Corona war für unsere Gesellschaft eine Art Trauma, das wir nun gemeinsam aufarbeiten sollten", begründete er die Offensive, bei der auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) federführend beteiligt ist.
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Corona und seine Folgen haben „tiefe Gräben in unserer Gesellschaft hinterlassen und die Menschen in Österreich schwer belastet", begründete Nehammer die Initiative. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten werde man die Vorgehensweise während der Pandemie analysieren, diskutieren und gegebenenfalls auch Fehler zugestehen. So erinnerte der Kanzler etwa an die Impfpflicht, die nie exekutiert und bald auch zurückgenommen wurde.
„Zeit für ein neues Miteinander."
„Eine kritische, schonungslose Analyse" ist für Nehammer Pflicht und Voraussetzung, die entstandenen „gesellschaftlichen Wunden zu heilen und das Trauma zu bewältigen". Adressaten seien dabei auch jene Menschen, die die Maßnahmen abgelehnt haben: „Wir wollen die Hand ausstrecken auch zu all jenen, die sich durch die Pandemie und ihre Folgen nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft willkommen gefühlt haben." Es brauche Transparenz in der Frage, wie Entscheidungen zustande gekommen sind, so Nehammer. Wie der „Dialog" tatsächlich ablaufen soll und auf welchen Kanälen die Ergebnisse die Bevölkerung erreichen sollen, verriet er nicht.
Gesundheitsminister Rauch meldete sich schriftlich zu Wort: Die Corona-Pandemie und ihre Folgen hätten die Menschen schwer belastet, die hohe Inflation dies noch verstärkt. „Viele Menschen fühlen sich abgehängt, vom Staat nicht mehr vertreten", bekannte der Minister. Dies alles gehe in Österreich, einem der reichsten Länder der Erde, an die Substanz der Demokratie. Rauch: „Drei Jahre nach Beginn der Pandemie wird es Zeit für ein neues Miteinander."
Lob von der SPÖ, Kritik von der FPÖ
Die SPÖ begrüßt die angestrebte Aufarbeitung der Corona-Politik grundsätzlich. Dies müsse aber „ernsthaft, seriös und objektiv geschehen", so Gesundheitssprecher Philip Kucher in einer Aussendung. Als positive Beispiele nannte er etwa die Zerbes-Kommission nach dem Terroranschlag in Wien bzw. die Griss-Kommission zur Aufarbeitung der Causa Hypo mit objektiven Expertinnen und Experten.
Nicht unbedingt versöhnlich zeigte sich FPÖ-Chef Herbert Kickl: Er nannte das Vorhaben einen „Verhöhnungsprozess". „Diese Art der inszenierten Weißwaschung funktioniert nur in der Welt der ÖVP, sonst aber nirgendwo", meinte er in einer Aussendung. Er forderte stattdessen „ein öffentliches Schuldeingeständnis der Bundesregierung, ihrer rot-pinken Steigbügelhalter und des Bundespräsidenten", den Rücktritt der Regierung und sofortige Neuwahlen. (APA)